Frauen al dente. (German Edition)
fühlte sich dumpf und benommen. Ein Knoten. In ihrer Brust. Der Anfang vom Ende? Angst griff nach ihr. Doch wohin sollte sie gehen? Zu Hause nahmen Lisa und die Babysitterin alles in Beschlag. Also blieb nur das Büro. Nicht zum Ausheulen, aber zum Arbeiten. Arbeit lenkte bekanntlich am besten ab. Nachdenken würde sie später.
»Irgendwas Besonderes?« Hella eilte an Frau Schuhmann vorbei ins Büro. Obwohl sie sich um Selbstbeherrschung bemühte, konnte sie nicht verhindern, daß ihre Stimme zitterte.
»Meier bittet um einen Termin wegen eines etwas undurchsichtigen Kunden, und in Ihrem Büro wartet Besuch auf Sie.«
Frau Schuhmann mußte ihrer Chefin die Worte regelrecht hinterherschreien.
Ärgerlich hielt Hella mitten im Schritt inne. »Habe ich Ihnen nicht gesagt, daß Besucher grundsätzlich hier im Vorzimmer zu warten haben? Ich möchte nicht, daß ein Fremder auf meinem Schreibtisch herumschnüffelt.«
Frau Schuhmann seufzte. Sie hatte mit dieser Reaktion gerechnet, doch geglaubt, eine Ausnahme machen zu dürfen. Zumal der Besucher sie in dieser Auffassung bestärkt hatte. Ihre Chefin würde Augen machen, wenn sie erst sah, wer auf sie wartete.
Ohne den Strauß gelber Rosen in seinen Händen hätte sie Jens Ebert wahrscheinlich nicht wiedererkannt. Zumal der einzige Körperteil, der sich ihr nachhaltig eingeprägt hatte, im Augenblick anstandslos bedeckt war.
»Sie wünschen?« begrüßte sie ihn so kühl wie möglich. Dieser Casanova-Verschnitt fehlte ihr zu ihrem heutigen Glück noch.
»Oje, immer noch so abweisend? Ich hatte gehofft, meine Hartnäckigkeit würde Sie wenigstens ein ganz klein bißchen beeindrucken.« Gut schaute er aus, dieser unverschämte Mensch. Selbst durch die Angstmauer aus Watte in ihrem Kopf nahm sie es wahr. Braungebrannt und ungeheuer anziehend wirkte er in seinem weißen Hemd auf nackter Haut. Letzteres vermochte Hella allerdings nur zu erahnen, denn Jens Ebert trug ein korrektes, stahlblaues Leinensakko über seinem Hemd, passend zu seinen ebenfalls stahlblauen Augen.
Er war ein Bild von einem Mann, und bedauerlicherweise wußte er das auch.
»Weiß Marlen, daß Sie hier sind?«
Jens Ebert unterbrach sie ungehalten.
»Mit Marlen verbindet mich ein toller Abend. Eine schöne Erinnerung, das ist aber auch schon alles. Ich bin absolut frei, um mit Ihnen …«, er zögerte.
»Um mich mit Ihnen zu einem netten kleinen Abendessen zu verabreden«, lachte er plötzlich ungemein jungenhaft.
»Bitte geben Sie mir keinen Korb.«
Hella konnte nicht dagegen an, seine Hartnäckigkeit schmeichelte ihr. Und außerdem kam er goldrichtig, um sie vom heutigen Ergebnis ihres Arztbesuches und der bevorstehenden Mammografie abzulenken. Sie beschloß, sein Interesse an ihr zu genießen, wer weiß, was noch auf sie zukam. Die Vorstellung, unter Umständen eine Brust zu verlieren, entsetzte sie. Welcher Mann würde sie dann noch begehrenswert finden? Vielleicht war sein heutiger Besuch sogar ein Wink des Schicksals. Ein letzes Angebot, ihrem Leben den entscheidenden Kick zu geben. Bevor …
»Okay, Sie sollen Ihr Abendessen bekommen. Holen Sie mich gegen acht Uhr hier ab, ich warte unten auf Sie.«
Ihre schnelle Kapitulation überraschte ihn. Mit einer leichten Verbeugung griff er nach Hellas rechter Hand und führte sie zum Handkuß an den Mund. Formvollendet. Ohne die Hand mit den Lippen zu berühren. Eine rührend altmodische Geste, die ihre Wirkung bei Hella nicht verfehlte. Der Benommenheitsnebel lichtete sich ein wenig.
Gleich zwanzig Uhr. Hella schraubte die Kappe auf den Stift, mit dem sie noch einige Papiere unterzeichnet hatte, und erhob sich. Von ihrem Bürofenster aus konnte sie auf die Straße hinunterschauen. Dort unten wartete Jens Ebert in einem roten Sportcabrio vor dem Portal auf sie. Plötzlich begann ihr Herz wie rasend zu schlagen. Sie war im Begriff, eine Dummheit zu begehen. Ihr letztes Rendezvous lag Lichtjahre zurück. Sie fühlte sich unsicher wie ein Schulmädchen, wie immer, wenn sie die sicheren Planken ihrer berufsmäßigen Routine verließ. Krampfhaft überlegte sie, wie Marlen sich in ihrer Lage verhalten würde. Selbstverständlich obercool und abgeklärt. Hey, Kleiner, würde sie zu dem um etliche Jahre jüngeren Mann sagen. Gehen wir zu dir oder zu mir? Obwohl Hella allein im Büro war, lief sie bei diesem Gedanken knallrot an. Es stimmte. In manchen Augenblicken des Lebens fühlte sie sich der attraktiven Marlen hoffnungslos unterlegen. Fruchtbarer
Weitere Kostenlose Bücher