Frauen al dente. (German Edition)
zwar auch während eines ganzen Arbeitstages betreuen, lehnte etwaige Überstunden jedoch grundsätzlich ab. Und überhaupt betreute sie nicht gerne Babys, die beanspruchten zuviel Aufmerksamkeit, aber wenn Marlen auch einKind im Alter von sechs Jahren aufwärts hätte, wäre sie gerne bereit. Nein danke.
Resigniert lehnte Marlen sich in ihrem Stuhl zurück. So schwierig hatte sie sich das Zusammenleben mit Lisa nicht vorgestellt. Doch es half alles nichts, irgendwie mußte sie das Problem lösen, und zwar so schnell wie möglich.
»Tanja, hat meine Mutter heute schon angerufen?« erkundigte Marlen sich durch die geöffnete Tür.
»Absolute Funkstille, schon seit Tagen. Es wird doch wohl nichts passiert sein?« brüllte Tanja zurück.
»Mutter? Ausgeschlossen!« Mütter sind im allgemeinen unverwüstlich, unerschrocken und unkündbar. Besaß Tanja denn keine eigene?
Marlen seufzte. Wohl oder übel mußte sie in den sauren Apfel beißen. Die einzige, die jetzt noch helfen konnte, war Mutter. Sie gestand es sich mit äußerst gemischten Gefühlen ein. Seit dem Tod ihres Mannes kannte Frau Sommer kein anderes Ziel, als aus der Eifel zu ihrer Tochter nach Düsseldorf zu ziehen. Doch Marlen hatte bislang erfolgreich abgewehrt. Mutter würde sie mit Haut und Haaren verschlingen. Sie würde Marlens spärliche Freizeit verplanen, ungefragt ihre Möbel umstellen und wahrscheinlich das Wohn-Arrangement mit Hella und Barbara fristlos kündigen. Statt dessen würde sie eine nette kleine Wohnung ›nur für uns zwei‹ anmieten. In ihren ärgsten Alpträumen fand Marlen sich Seite an Seite mit ihrer Mutter im Lehnstuhl wieder. Restlos verfettet und bequem geworden. Denn Mutter war überfürsorglich und überbehütend. Die Übermutter schlechthin. Sobald Marlen auch nur mit einem Gedanken an sie dachte, schnürte es ihr die Luft zum Atmen ab. Ihr Umzug nach Düsseldorf war auch die Flucht vor ihrer Mutter gewesen. Doch verdammt, jetzt brauchte sie sie. Auf Mutter war wenigstens Verlaß. Immer. Wenn sie hörte, daß sie so unverhofft Oma geworden war, würde sie morgen mit prallen Koffern vor der Tür stehen. Irgendwie würden sie sich schon vertragen, wenigstens für eine Übergangszeit. Hoffte Marlen zumindest.
Nervös lauschte sie in den Telefonhörer hinein. Das Freizeichen. Einmal, zweimal, dreimal. Endlich.
»Hallo Mutter! Hast du schon die Koffer gepackt?« Marlen entschied sich für die direkte Tour. Was sollte sie sich mit langem Vorgeplänkel aufhalten.
»Marlen, bist du es? Was für ein Zufall, ich wollte dich gerade anrufen. Woher weißt du, daß ich verreise?« Die Stimme ihrer Mutter klang frisch und ausgesprochen unternehmenslustig zu ihr herüber. Marlens Zuversicht sackte ins Bodenlose.
Dennoch wagte sie einen verzagten Vorstoß. »Nur so eine Ahnung. Wolltest du mich nicht immer schon einmal für ein paar Tage in Düsseldorf besuchen?«
»Unbedingt, aber frühestens, wenn ich von Mallorca zurück bin. Und so wie es aussieht, überwintere ich dort!« Ihre Mutter kicherte bei dieser Eröffnung wie ein Teenager.
»Aber der Sommer fängt doch gerade erst an«, stellte Marlen verdutzt fest. Was ihre Mutter nicht im geringsten irritierte. Sie sprühte vor Lebens- und Mitteilungsfreude. Der Bruder ihrer Nachbarin, der wiederum Rentner und glücklicherweise auch Witwer sei, habe sich auf Mallorca eine bescheidene Finta gekauft. Und rein zufällig, die Nachbarin habe nur ein ganz klein wenig nachgeholfen, hätten sie sich bei einem seiner Besuche in der alten Heimat kennengelernt und … na ja … Abermals Kichern.
Marlen schluckte trocken. Das Schicksal hatte sich gegen sie verschworen. Selbst ihre Mutter amüsierte sich lieber, als ihrer einzigen Tochter in einer schweren Stunde beizustehen.
»Das ist ja wunderbar für dich!« quälte Marlen sich ab. »Vater würde sich bestimmt für dich freuen.«
»Ach was, Vater war ein alter Griesgram. Er würde sich im Grabe herumdrehen, wenn er wüßte, wie glücklich ich bin.«
Marlen glaubte sich im falschen Film. Sprach sie mit derselben Frau, die seit Jahren das Andenken ihres verstorbenen Ehemannes hochhielt, als gelte es, den ersten Preis in Heldenverehrung zu gewinnen?
Doch dann rutschte es ihr heraus: »Mutter, was würdest du sagen, wenn ich ein Kind bekäme?«
»Um Himmels willen, bist du etwa schwanger? Im wievielten Monat?«
»Nein, keine Sorge. Ich frage nur rein hypothetisch.«
»Mach bloß keine Dummheiten, Kind. Du weißt gar nicht, was
Weitere Kostenlose Bücher