Frauen al dente. (German Edition)
heute morgen eigentlich aus dem Bett getrieben? Willst du dem Auszug aus Ägypten beiwohnen?« Mit steifen und cremebedeckten Beinen stakste sie zurück in die Küche, um im Stehen ihr mageres Frühstück einzunehmen. Es war zwar illusorisch zu hoffen, daß das überflüssige Kilo auf ihren Hüften sich bis zu Sanders' Eintreffen verdünnisierte, doch einen Versuch war es allemal wert.
»Von wegen. Ich darf heute anderen Leuten beim Fahrradfahren zusehen. Mein allerliebster Staatssekretär gibt dort den Startschuß, und ich darf ihn begleiten. Ob es da allerdings auch Schafe gibt…«
»Alte Lästerzunge!« Marlen warf ihr den erstbesten Gegenstand vor den Kopf, der ihr unter die Finger kam. In diesem Fall eine mit Milchflecken besudelte Mullwindel, die Lisa bei der Fütterung neuerdings um den Hals trug.
Natürlich hatte dieses Detail von Marlens Reise nach Frankfurt sehr zur Erheiterung der Freundinnen beigetragen.
Rechtsanwalt Bode hingegen schien weniger amüsiert, als sie das Angebot, in seinem Wagen mitzufahren, ablehnte. Sein ohnehin distanzierter Ton verlor noch einen weiteren Grad an Wärme. Ja, er verstehe, daß sie lieber ihren Chef begleite. Ein solches Angebot könne man schlecht ablehnen. Eine Spitze, die er sich nicht verkneifen konnte. Aber er bestand darauf, wenigstens im selben Hotel abzusteigen. So eine Wohnungsauflösung sei eine langwierige und komplizierte Angelegenheit, die man nicht zusätzlich durch mühsame Terminabstimmungen erschweren sollte. Einverstanden. Ob er denn an Marlens Gespräch mit der Dame vom Sozialen Dienst des Jugendamtes teilnehmen wolle? Frau Müller habe ihr Ort und Zeitpunkt freigestellt. Und sie habe sich für kommenden Dienstag bei ihr zu Hause entschieden. Als kreativer Mensch brauche sie eine persönliche Gesprächsatmosphäre. In abgestandener Behördenluft könnten ihre grauen Gehirnzellen einfach nicht arbeiten.
Bode trug diese tiefblickende Feststellung mit Fassung, gönnte sich jedoch eine Schweigeminute, bevor er sein Kommen zusagte. Was daran liegen mochte, daß er als Anwalt und Notar an aktentrockene Luft gewöhnt war und aus ihrer Bemerkung zwangsläufig folgern mußte, daß sie ihn für keinen kreativen Menschen hielt. Was Marlen allerdings erst sehr viel später aufging. Marlen seufzte in Erinnerung an das zähe Gespräch. Und ihr grauste bei dem Gedanken an ein Wochenende mit Bode. Zum Glück gab es noch Peer Sanders.
Es schellte. Wie von der Tarantel gestochen, sprang Marlen auf. Hilfe, Sanders war viel zu früh.
»Verzieh dich endlich unter die Dusche. Du stinkst wie eine ganze Chemiefabrik.« Barbara scheuchte Marlen ins Bad, wo sie in Rekordzeit schrubbte und nibbelte, sich cremte und schminkte, bis sie endlich mit ihrem Spiegelbild zufrieden war. Gelegentlich bemühte sie sich, mit dem Ohr an der Tür Fetzen der Unterhaltung zwischen Barbara und Peer Sanders aufzuschnappen. Megapeinlich, daß sie ihn warten ließ. Hoffentlich baggerte Barbara ihn nicht an. Zuzutrauen war es ihr.
Lisa begann zu weinen, gerade als Marlen vom Bad in ihr Zimmer huschte. Im viel zu knappen Frotteemantel. Pullover und Hose hingen noch in ihrem Zimmer. Und aus allen Richtungen strömten hilfreiche Menschen herbei.
»Kreative Menschen wie Sie bevorzugen aber sehr unkonventionelle Reisekleidung.« Oh je, Martin Bode. Der Advokat und Gegenvormund, diesmal in der lockeren Variante. In ausgebeulten Jeans und weißem, langärmeligen Hemd. Mit bis zum Ellenbogen aufgerollten Ärmeln. Der seine Anspielung wahrscheinlich noch für komisch hielt.
»Lisa braucht ihre Flasche. Du solltest dich beeilen.« Hella im flotten Popelinehosenanzug mit leichtem Reisegepäck in der Hand.
»Herr Bode hat eine Überraschung für dich!« Barbara, mit schadenfroh leuchtenden Augen.
Marlen rettete sich in ihr Zimmer. Behutsam hob sie die weinende Lisa aus dem Bett. Ihre Finger umschlossen stützend den kleinen Kopf, als sie das Kind vorsichtig an ihre Wange drückte. Lange Zeit hatte sie es sich nicht einzugestehen getraut, doch sie fürchtete sich ein wenig vor dem Baby. Es war so zart, so zerbrechlich. Und doch so brutal dominant. Allein ihre bloße Anwesenheit drohte Marlens Leben völlig auf den Kopf zu stellen.
Ihre Gedanken schweiften zu dem Gespräch, das sie gestern abend mit Hella geführt hatte. Eine ganze Woche lang war es ihr gelungen, der Freundin aus dem Weg zu gehen. Instinktiv. Und als Hella dann mit ihrem Vorschlag herausrückte, verschlug es ihr zunächst die Sprache.
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