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Frauen al dente. (German Edition)

Frauen al dente. (German Edition)

Titel: Frauen al dente. (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marte Cormann
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diese widerliche Zimtzicke, dieser heimtückische Natternschwanz. Diese Schlange ließ tatsächlich keine Gelegenheit aus, gegen Marlen zu intrigieren. Ihr Ehrgeiz war unersättlich, auf der Jagd nach Erfolg war sie offensichtlich bereit, über die Leichen ihrer Kolleginnen zu steigen. Doch sie sollte nicht ungeschoren davonkommen. Morgen früh würde Marlen sie sich zur Brust nehmen.
    Müde fuhr sie sich mit der Hand über die Augen. Es war spät, draußen brannten bereits die Straßenlichter. Eigentlich hätte sie längst zu Hause bei Lisa sein müssen, doch tausend unerledigte Aufgaben fesselten sie unerbittlich an ihren Schreibtisch. Zum Glück hatte noch niemand nach ihren Vorschlägen zur Umstrukturierung von
pleasure
verlangt. Bislang hatte sie kaum einen Gedanken daran verschwenden können.
    Vor ihr lag die wöchentliche Glosse zum Thema ›Powerfrau‹, einem Highlight von
pleasure.
Waschkörbe voller zufriedener Leserinnenpost erreichten die Redaktion. Die Autorinnen wechselten im festgelegten Rhythmus, Marlen nahm die Beiträge nur noch ab oder verfügte Änderungen.
    Als Lena geboren wurde, war ich 34. Bis dahin hatte ich mein Leben fest im Griff: Abi, Studium, Job, ein bißchen Karriere, Beziehungsgeschichten, viel Spaß. Ich arbeitete gern, machte auch einmal die Nacht zum Tage und gönnte mir ein Wochenende im Bett, wenn es mir nicht so gut ging. Dann wurde ich schwanger, und plötzlich begann eine neue Zeitrechnung.
    Verblüfft wendete Marlen das Blatt und vergewisserte sich, daß dies tatsächlich der Beitrag für die ›Powerfrau‹ sein sollte. Oder erlaubte sich am Ende jemand einen Scherz mit ihr? Zumindest der Anfang des Textes wies erstaunliche Parallelen zu ihrem eigenen Lebenslauf auf. Befremdet las sie weiter.
    Dann kam die Ernüchterung, mein Leben entwickelte eine Eigendynamik, ich konnte nicht mehr allein bestimmen, wo es lang geht.
    Wie wahr. Seitdem Marlen für Lisa zu sorgen hatte, wackelte plötzlich die Karriereleiter, auf die sie so frohgemut ihren Fuß gesetzt hatte. Ihren Job schaffte sie nur noch mit einer Zusatzportion Kraftanstrengung. Kneipen und Restaurants sah sie kaum noch von innen. Und so richtig ausgeschlafen hatte sie sich seitdem auch nicht mehr … Marlen gähnte herzhaft. Oh ja, die Autorin wußte, wovon sie schrieb. Mit Baby war eine Frau einfach nicht mehr Herrin ihrer selbst.
    »So spät noch im Büro? Gehören Sie nicht längst zu Ihrem Kind?« Peer Sanders lehnte im camelfarbenen Kaschmirmantel mit weißem Seidenschal in der Tür. Im Gegensatz zu ihr wirkte er trotz der späten Stunde erstaunlich fit. Ein Hauch Calvin Klein wehte von ihm herüber. Er duftete verführerisch gut.
    »Hallo.« Eine originellere Erwiderung fiel Marlen in ihrem ausgepowerten Zustand nicht ein.
    Peer Sanders trat lächelnd auf sie zu. »Die Top-Journalistin von
pleasure
scheint einen guten Cappuccino vertragen zu können, bevor sie ins Bett geht. Darf ich Sie dazu einladen?«
    »Eine Tasse heißer Kakao und mein Bademantel wären mir lieber. Und 24 Stunden Dauerschlaf«, entfuhr es ihr. Willig ließ sie sich von ihm in die Jacke helfen. Peer Sanders strömte Ruhe und Verständnis aus. Ein Mann zum Anlehnen, äußerst gefährlich. Er verführte zu Geständnissen. Zu allem Überfluß wirkte er auf sie auch noch gnadenlos erotisch. Während Marlen an seiner Seite durch die bereits dunklen Korridore schritt, die unzähligen Stufen hinab bis ins Erdgeschoß, warf sie ihm immer wieder verstohlene Blicke zu. Erst gestern hatte sie über den blumigen Stil einer Kollegin gelächelt, die in schwärmerischen Worten von der magischen Anziehungskraft ihres papierenen Helden schrieb, doch heute Abend trat Marlen selbst den Wahrheitsbeweis für diese Formulierung an. Peer Sanders schien mit Klebstoff der feinsten Art ausgestattet, ständig stießen sie beim Gehen unverhofft zusammen. Bis sie endlich in seinem Wagen saßen, hatte Marlen sich mindestens dreimal bei ihm für ihre Ungeschicklichkeit entschuldigt.
    Sie ertappte sich dabei, wie sie ihm immer wieder staunende Seitenblicke zuwarf. Peer Sanders war der Typ einsamer Highlander. Sturmumtost und wettergegerbt vor dem dramatischen Hintergrund der schottischen Hochebene. Marlen erschrak ein wenig wegen ihrer romantischen Anwandlungen. Wenn diese Stimmung anhielt, fand sie sich früher oder später in einem holzwurmzerfressenen Cottage wieder, dampfende Kohlsuppe auf dem Herd, und davor Lisa mit einem halben Dutzend Mini-Highlandern. Punkt zwölf

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