Frauen, die Geschichte machten
damit. Als Marie Antoinette sich weigerte, zu den absurden Vorwürfen Stellung zu nehmen und sagte »Ich
berufe mich auf alle Mütter, die hier im Saal sind«, schlug die Stimmung um. Der Hass, der die »Österreicherin« so lange verfolgt
hatte, verstummte. Es bildete sich so etwas wie eine weibliche Solidarität |184| mit der geschundenen Frau auf dem Anklagestuhl, der Vorwurf wurde daraufhin kommentarlos zurückgenommen. Mit Mühe brachten
die Ankläger ein paar »Beweise« für staatsfeindliche Handlungen zusammen, die ausreichten, das Todesurteil über die »Witwe
Capet« zu sprechen. Am 16. Oktober 1793 wurde es vollstreckt.
Die Hoheit und Würde, mit der Marie Antoinette die Zuschauer im Gericht beeindruckt hatte, zeigte sie auch bei ihrem letzten
Gang. »Ruhig«, »gefasst« sind die Worte, die in den Berichten über Marie Antoinettes Hinrichtung häufig wiederkehren. Es hatte
ein großes triumphales Schauspiel werden sollen, 30 000 Soldaten waren aufgeboten worden, die verhindern sollten, dass Marie Antoinette schon auf dem Weg vom Untersuchungsgefängnis,
der Conciergerie, zum Platz der Revolution, wo die Guillotine stand, in Stücke gerissen wurde. Aber das Volk dachte gar nicht
daran, es verhielt sich friedlich, zu friedlich nach dem Geschmack der Initiatoren. Ein radikaler Journalist notierte bekümmert:
»Im Allgemeinen schien für einen Augenblick alles Unheil vergessen zu sein, das Frankreich durch diese Frau widerfahren ist,
man schien nur an ihre gegenwärtige Lage zu denken.«
In den folgenden Jahren ging die Ausrottung der königlichen Familie weiter. Ludwigs XVI. Schwester Elisabeth starb 1794 auf
der Guillotine, der Dauphin Charles-Louis wurde im Juni 1795 wahrscheinlich vergiftet. Nur Marie Antoinettes Tochter Marie
Thérèse überlebte, sie wurde im Dezember 1795 im Austausch gegen gefangene Revolutionäre freigelassen.
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Lola Montez
Die bayerische Pompadour
|186| »Nur dies Herz, es ist von Dauer, / Schwillt in jugendlichstem Flor; / Unter Schnee und Nebelschauer / Rast ein Ätna dir hervor.«
So bekannte 1815 der 66-jährige Goethe seiner »Suleika« Marianne von Willemer die Leidenschaft, die sie in ihm entfacht hatte.
Damals war eine andere Dame noch nicht geboren, nach der sich der 61-jährige König Ludwig I. von Bayern 1847 verzehrte. König
und Dichter waren in den Jahren um 1820 befreundet. Auch Ludwig versuchte sich als Dichter, doch als ihn seinerseits die Altersliebe
übermannte, reichte es nur zu so biederen Strophen wie: »Süße Düfte streut die Linde / In dem schönen Brückenau. / Unter Zweigen,
die sich neigen, / Wallt die allerschönste Frau.« Heinrich Heine amüsierte sich buchstäblich königlich über solche Reime und
spottete: »Herr Ludwig ist ein großer Poet, / Und singt er, so stürzt Apollo / Vor ihm auf die Knie und bittet und fleht:
/ ›Halt ein! Ich werde sonst toll, o!‹«
Ludwigs Tollheit galt der besungenen »wallenden« Frau, die 1846 ohne Papiere in seiner Residenzstadt München aufgetaucht war.
Seine Ehefrau, die 1792 geborene Therese von Sachsen-Hildburghausen, Mutter seiner neun Kinder, begehrte Ludwig längst nicht
mehr. Sein Interesse galt nun einer reizvollen, aber unbegabten spanischen Tänzerin, die sich am Hoftheater vorgestellt hatte
und abgewiesen worden war. Vielleicht ließ sie sich ja in seine »Schönheitengalerie« einreihen. Dort hingen die vom Goethe-Porträtisten
und Hofmaler Joseph Karl Stieler (1781–1858) idealisierten Gemälde von 38 Frauen, die Ludwig in seinem Leben als die schönsten
erschienen waren und zu denen er sämtlich mehr als freundschaftliche Beziehungen unterhalten haben soll.
Lola Montez, so der Name oder genauer: einer ihrer Namen, wurde am 7. Oktober 1846 von seiner Majestät zur Audienz gebeten.
Sie brauchte sich keine große Mühe zu geben, um Aufnahme in die Galerie zu finden. Der König war vom ersten Augenblick von
ihrer Schönheit, insbesondere von ihren blauen Augen, bezaubert. Eine temperamentvolle Señorita aus Sevilla mit dem klingenden
Namen Maria Dolores (»Lola«) Porris y Montez mit blauen Augen? Auf Stielers Gemälde bewundern wir noch heute den sonderbaren
Kontrast zwischen dem hell-rosigen Teint, den schwarzen Haaren und der wie Bergkristall schimmernden Iris der ganz leicht
vorstehenden Augen unter dunklen, wundervoll geschwungenen Brauen. Doch Ludwig machte sich keine Gedanken darüber, dass Namen
und
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