Frauen, die Geschichte machten
verstaatlicht, Klöster und Orden aufgehoben. Reliquien, Kronjuwelen und andere Schätze wurden konfisziert. Die Nationalversammlung
debattierte über eine Verfassung, die dem König kaum noch Macht ließ, und in den politischen Klubs, bei den Jakobinern etwa,
wurden bereits weit radikalere Programme erörtert. Ludwig XVI. sah dem mehr oder weniger tatenlos zu, seine Frau aber handelte.
Sie sprang über ihren Schatten und begann Verhandlungen mit dem inoffiziellen Führer der Revolution, dem Grafen Mirabeau,
immerhin ein Adliger, kein Mann des Pöbels. Er war bereit zu einem Pakt zwischen Monarchie und Bürgertum, der die radikalen
Kräfte gezügelt hätte, und dank des hohen Ansehens, das er genoss, war er wohl auch der einzige, der ein solches Wagnis hätte
durchstehen können. Aber sein früher, plötzlicher Tod am 2. April 1791 machte die Pläne zunichte.
Als im gleichen Monat ein Osterausflug, den die Königsfamilie nach St. Cloud unternehmen wollte, in einem Auflauf der Bevölkerung
stecken blieb, sodass man umkehren musste, kam der Gedanke an Flucht auf. Treibende Kraft war Marie Antoinette, ihr Vertrauter
und vielleicht auch Geliebter Axel Graf von Fersen, ein schwedischer Diplomat, organisierte das Unternehmen. Dafür musste
ein extra großer Reisewagen angefertigt werden, um die Familie samt ihren Bediensteten aufzunehmen sowie stapelweise Garderobe
und die besten Flaschen aus des Königs Weinkeller. Die Flucht sollte Richtung Osten gehen, wo königstreue Truppen warteten.
Aber schon bald nach dem Aufbruch in der Nacht zum 20. Juni 1791 wurden sie entdeckt. Im Städtchen Varennes hinderte eine
Menschenmenge die monströse Kalesche des Königs an der Weiterfahrt. Am 25. Juni traf er wieder in Paris ein, nun endgültig
der Gefangene seines Volkes.
Am 3. September 1791 wurde die neue Verfassung verkündet. Frankreich war nun eine konstitutionelle Monarchie mit unabhängiger
Justiz und Selbstverwaltung der Gemeinden. In den 83 Departements, die an die Stelle der historischen Provinzen getreten waren,
bestimmten vom Volk gewählte Beamte. Für die Legislative, das Parlament, galt ein Zensuswahlrecht, nur die besitzenden Schichten
durften wählen – insofern war das revolutionäre Ideal noch nicht erreicht. Dem König blieb die Domäne der Außenpolitik und
das so genannte suspendierende Veto, d. h., er konnte mit seinem Einspruch Gesetzesvorhaben maximal vier Jahre lang aufschieben,
aber nicht gänzlich verhindern. Obwohl Ludwig XVI. von diesem Recht äußerst selten Gebrauch machte, nämlich nur einmal, als
es um den Treueschwur ging, den die Priester der Revolution leisten sollten, wurde »das Veto« zentrales Argument der Republikaner.
Aber wieder warf man es der Königin vor – als hätte sie das Veto erfunden und würde ständig damit operieren. »Madame Veto«
war nun ihre neue Bezeichnung.
Mit der Auflösung der Nationalversammlung im September 1791 und der Bildung eines neuen Parlaments, der so genannten Legislative,
traten die radikalen |182| Kräfte weiter in den Vordergrund. Agitatoren wie Camille Desmoulins, Georges Danton, Jacques Hébert, Jean Paul Marat und Maximilien
de Robespierre gaben jetzt den Ton an, und da die Emigranten in Deutschland und Österreich Bundesgenossen fanden, lief alles
auf eine militärische Auseinandersetzung zwischen Frankreich und den Mächten der alten Welt hinaus. Während der König aber
weiter stillhielt, sah Marie Antoinette keinen Anlass, noch länger dem Staat, in dem sie lebte, die Treue zu halten. Die so
lange als »Österreicherin« Beschimpfte wurde nun tatsächlich wieder zur Österreicherin. Sie verriet den Gegnern Frankreichs
die Aufmarschpläne für den in ihrer Anwesenheit besprochenen französischen Angriff auf die Niederlande. Und dem Revolutionsgeneral
Dumouriez erklärte sie hochmütig: »Sie sind in diesem Augenblick allmächtig, Monsieur, aber nur durch die Gunst des Volkes,
und dieses ist sehr wankelmütig, was seine Götzen betrifft … Weder der König noch ich haben die Absicht, uns mit diesem neuen
Kram der Konstitution und so weiter abzufinden, das wollte ich Ihnen mit aller Deutlichkeit gesagt haben, richten Sie sich
danach!«
Der Krieg, im April 1792 ausgebrochen, ließ sich zunächst schlecht an für die Franzosen. Die verbündeten Österreicher und
Preußen überschritten bald die Grenze. Ihnen voraus ging ein trotziges Manifest ihres Befehlshabers, des Herzogs von
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