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Frauen, die Geschichte machten

Titel: Frauen, die Geschichte machten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reinhard Barth
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aufgeklärt, aber der Öffentlichkeit reichte das nicht. Sie unterstellte ihr eine
     tiefere Verstrickung in die Angelegenheit, und so wurde aus der Halsbandaffäre eine Affäre Marie Antoinettes.
    Der Halsband-Prozess fand im Jahre 1786 statt. Im Jahr darauf tat Marie Antoinette erstmals das, was ihr schon lange nachgesagt
     wurde. Sie griff in die Personalpolitik ein und setzte die Bestallung eines Ministers durch, der Frankreichs desolate Finanzen
     retten sollte. Loménie de Brienne, den sie vorschlug, konnte sich allerdings so wenig gegen die Widerstände der privilegierten
     Stände durchsetzen wie seine Vorgänger, und auch der populäre Bankier Jacques Necker, ein Bürgerlicher, der in letzter Stunde,
     im August 1788, berufen wurde, konnte es nicht. Unaufhaltsam bewegten sich die Verhältnisse auf die Katastrophe zu. Der König
     musste die Generalstände einberufen. Diese Versammlung des Adels, der Geistlichkeit und der städtischen Körperschaften hatte
     früher allein das Recht der Steuerbewilligung gehabt, was absolutistischen Herrschern ein Dorn im Auge war, weshalb die Generalstände
     auch 1614 zum letzten Mal getagt hatten. Ihre Einberufung für den 1. Mai 1789 konnte nur als politischer Offenbarungseid des
     Königtums verstanden werden.
    Für Marie Antoinette wurde das Jahr 1789, das Jahr der Revolution, zum Schreckensjahr, noch bevor der Umsturz begann. Sie
     hatte zwischen 1778 und |180| 1786 vier Kinder zur Welt gebracht (dazu kamen noch zwei Totgeburten). Von den vieren war eines, Sophie Hélène, bereits nach
     einem Jahr gestorben. Blieben noch drei, eine Tochter, Marie Thérèse, geboren 1778, und zwei Söhne, Ludwig, geboren 1781,
     und Charles-Louis, geboren 1785. Der ältere, Ludwig, der Dauphin, schon lange kränkelnd, starb am 3. Juni 1789, einen Monat
     nachdem die Generalstände ihre Sitzungen in Versailles begonnen hatten. Trauer und Verzweiflung Marie Antoinettes nach diesem
     Todesfall dürften nicht wenig zu der Hilflosigkeit beigetragen haben, die das Königspaar in den folgenden Wochen zeigte, als
     sich die revolutionären Ereignisse überschlugen. Dass sich der König von seiner Frau bestimmen und beeinflussen ließ, wurde
     ihnen zum Verhängnis. Denn er, träge und einfallslos, fand sich rasch mit den neuen Verhältnissen ab, er war bereit, zu tun,
     was die Nation von ihm verlangte. Auch wenn es den Verzicht der absolutistischen Herrschaft bedeutete, hätte er wohl auch
     sein Leben friedlich als Repräsentant einer konstitutionellen Monarchie beschließen können. Wenn nicht Marie Antoinette gewesen
     wäre. Sie dachte nicht in nationalen, sondern in dynastischen, familiären Kategorien, der Staat galt ihr als Eigentum des
     Königs. Für sie waren die Revolutionäre der Pöbel, und mit dem Pöbel hielt man keine Gemeinschaft.
    Es hätte wohl Möglichkeiten gegeben, die Königin mit ihren Kindern in ein sicheres Schloss irgendwo in der Provinz oder auch
     ins Ausland zu bringen. Aber von diesen Möglichkeiten wurde keine ernsthaft ins Auge gefasst. Die königliche Familie blieb,
     wo sie war, in Versailles, so lange, bis die Revolution zu ihr kam.
    Inzwischen hatte sich die bürgerliche Fraktion in den Generalständen gegen Adel und Geistlichkeit als Nationalversammlung
     konstituiert, war die Nationalgarde gebildet worden, hatte der König den Minister Necker entlassen, war die Bastille, das
     Staatsgefängnis in Paris, gestürmt worden. Ein halbherzig geplanter Versuch, den Aufstand mit militärischer Macht niederzuschlagen,
     war wieder fallen gelassen worden, da die Führung ihrer Truppen nicht mehr sicher war. Der Adel hatte seine Jahrhunderte alten
     Vorrechte verloren, die Nationalversammlung die Menschenrechte erklärt, und die Emigration des Adels begonnen. Die Ausgewanderten
     bezogen Quartier hinter der Grenze, in Koblenz und in Brüssel, und riefen die Mächte Europas zum Kampf gegen die Revolution
     auf. In der Hauptstadt grassierte die Hungersnot und die Furcht vor einer Gegenrevolution ging um.
    Am 5. Oktober 1789 zog eine Schar von Frauen, darunter auch als Frauen verkleidete Männer, hinaus nach Versailles. Sie zwangen
     am folgenden Tag die königliche Familie, mit nach Paris zu kommen. Das alte Stadtschloss der Tuilerien wurde ihr als Wohnsitz
     angewiesen. Fortan standen König und Königin unter Beobachtung und Aufsicht der Massen. Die Revolution schritt fort: Kirchen-,
     Kron- und Emigranten-Güter wurden eingezogen. Die Kirche wurde |181|

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