Frauen, die Geschichte machten
verpflichtete zu internationalem Engagement,
zu dem ihr trotz der nicht eben geringen Buchhonorare die Mittel fehlten. Alfred Nobel, ihr kurzzeitiger Arbeitgeber und jetziger
Mitstreiter für ihr Friedenswerk, half aus, warnte aber zugleich vor Euphorie, denn dem Skeptiker war klar, dass die Friedensbäume
nicht in den Himmel wachsen würden. Bertha musste das erst in einem langen Prozess einsehen lernen. Zunächst ließ sich alles
gut an, und ihr erster Auftritt auf der ganz großen Bühne beim Friedenskongress in Rom am Ende des Jahres 1891 glückte über
die Maßen. Sie konnte offenbar nicht nur schreiben, sondern auch mit dem gesprochenen Wort ihr Publikum begeistern, wobei
ihr der Nimbus der erfolgreichen Autorin natürlich sehr zugute kam. Das befürchtete Lampenfieber schwand, so erinnerte sie
sich später, bei dem Gedanken: »Ich hatte etwas zu sagen, das mir wichtig schien und von dem ich wusste, dass es den Gleichgesinnten,
die mich umgaben, eine willkommene Botschaft sein würde. Und so sprach ich völlig angstlos.«
Das galt auch für ihr Engagement gegen den damals sich dramatisch verschärfenden Antisemitismus in vielen Ländern Europas.
Energisch trat sie den Fanatikern entgegen und warnte vor dem kulturellen Verlust durch die massenhafte Abwanderung von Juden.
|209| In beidem hat die Welt von ihr leider nicht gelernt, ja in Sachen Frieden eher noch weniger als auf dem Felde der ethnischen
Toleranz. In den Jahren um und nach der Jahrhundertwende hatte die unermüdliche Publizistin viel Schweres zu verarbeiten:
privat den Tod ihres Mannes 1902 und die anschließende Zwangsversteigerung von Schloss Harmannsdorf, politisch die immer rascher
aufeinander folgenden Krisen auf dem Balkan, in den Kolonien, in Marokko und in Fernost. Gerade der letztgenannte Schauplatz
schmerzte, denn hier hatte sich Russland, auf das Bertha so große Hoffnungen gesetzt hatte, in einen Krieg gegen Japan gestürzt
und in den Wind geschlagen, was noch wenige Jahre zuvor von allerhöchster Stelle zum Programm erhoben worden war: Am 28. Mai
1898 hatten alle Botschafter in Petersburg im Namen von Zar Nikolaus II. ein Manifest erhalten, das dringlich internationale
Maßnahmen zur Abrüstung und eine Konferenz darüber forderte.
Die Konferenz war schließlich 1899 auch in Den Haag zustande gekommen, doch den Frieden sicherer zu machen war nicht geglückt,
nur eine Vereinbarung von 26 Staaten, ein Schiedsgericht zu schaffen und an der »Humanisierung« von bewaffneten Konflikten
zu arbeiten. Im nüchternen Sinn eines Alfred Nobel, der 1896 erst 63-jährig gestorben war, gar nicht so dürftig, für den immer
gewichtiger werdenden Friedensengel Bertha enttäuschend wenig. Sie erlebte zwar den Ersten Weltkrieg nicht mehr, musste aber
beobachten, wie sich die Rüstungsspirale immer schneller drehte und das Säbelrasseln zunehmend die Diplomatie ersetzte.
Mit Nobel in den letzten Jahren seines Lebens eng befreundet, hatte sie maßgeblichen Anteil daran gehabt, dass der unendlich
reiche Mann einen Teil seines Vermögens für fünf Preise aussetzte. Neben denen für Naturwissenschaften und für Literatur auch
einen für Menschen, die sich in besonderer Weise um den Frieden verdient gemacht hatten. Dieser Preis war sichtbar auf sie
und ihr Lebenswerk zugeschnitten, was der erste Friedensnobelpreisträger, Henri Dunant, anerkannte, indem er unmittelbar nach
der Meldung von der Verleihung 1901 an Bertha die Zeilen richtete: »Dieser Preis, gnädige Frau, ist Ihr Werk, denn Sie sind
es, durch die Herr Nobel in die Friedensbewegung eingeweiht worden ist, und auf Ihr Zureden hat er sich zu deren Förderer
gemacht.« Dunant, da trat Bertha noch gern zurück, auch wenn sie kritisierte, dass damit eher die Kriegsmilderung als die
Kriegsverhinderung prämiert worden war. Als sie aber 1902, 1903 und 1904 wieder übergangen wurde, machte sich Verbitterung
breit, und Bertha begann zu zweifeln, ob sie überhaupt noch bedacht werden würde.
Dann aber, Anfang Dezember 1905, kam die Nachricht, dass sie nun doch ausgezeichnet werde und ihr die beträchtliche Summe
für dieses Jahr allein und ungeteilt zugesprochen worden sei. Ein Triumph und erstmals in ihrem Leben ein Moment völliger
finanzieller Sorgenfreiheit. Sie genoss Ruhm, Reichtum |210| und Aufmerksamkeit in vollen Zügen, blühte noch einmal auf, reiste in alle Welt und verkündete unermüdlich ihre Botschaft
vom Frieden schaffen ohne
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