Frauen, die Geschichte machten
Regierungsgeschehen beanspruchte, das war neu. Justinian tat
im Übrigen gut daran, seine Frau zu beteiligen. Was Menschenkenntnis und Urteilsvermögen betraf, hatte sie ihm einiges voraus.
Er war ein Büchermensch und kannte sich im Aktenwesen aus, gleichzeitig neigte er zu gedanklichen Höhenflügen. Theodora dagegen
besaß einen gesunden Realitätssinn und einen starken Willen, vielleicht Erbteil aus ihrer harten Jugend im Circus.
Unkritische Geschichtsschreiber, vor allem aber Romanautoren, schildern sie gern als Despotin schlechthin. Am stärksten verzerrt
Felix Dahn ihr Bild in seinem Klassiker »Ein Kampf um Rom« (1876). Theodora ist darin ein grausames, herrschsüchtiges Weib,
das in unermesslichem Luxus schwelgt und nur darauf aus ist, anderen Leuten Schaden zuzufügen. Sie spinnt Intrigen, macht
ihren Freundinnen die Liebhaber abspenstig und stiftet ihren Mann dazu an, die edlen Goten zu verderben. Solche Vorstellungen
gehen auf Prokop zurück, der bei all seiner historischen Korrektheit die Perspektive der Männerwelt des Militärs, in der er
aufwuchs, nie hatte verlassen können und wahrscheinlich höchst präzise Ansichten darüber hatte, was einer Frau zustand und
was nicht, und der Theodora für das hasste, was sie war: eine Feministin.
Der Brite Anthony Bridge gebraucht diesen Begriff in seiner Theodora-Biografie von 1978. Und so sonderbar er scheinen mag,
angewendet auf Verhältnisse vor 1500 Jahren, er ist keineswegs fehl am Platz. Theodora kämpfte unermüdlich und bisweilen sogar
mit aller Härte dafür, das Los der Frauen zu verbessern. Ihre erste gesetzgeberische Initiative galt, wie nicht anders zu
erwarten, der Verbesserung der sozialen Lage von Schauspielerinnen. Sie setzte durch, dass Bühnenmädchen in höhere Gesellschaftsschichten
einheiraten und ihren Beruf aufgeben durften. Damit machte sie der Abhängigkeit dieser Frauen von ihren Arbeitgebern ein Ende.
Viele von Justinians Erlassen tragen Theodoras Handschrift, etwa der zur Gleichstellung von Töchtern und Söhnen im Erbrecht
oder der zur Rückerstattungspflicht der Mitgift an Witwen oder derjenige, der verhindern sollte, dass die Kinder von Sklaven
automatisch auch Sklaven wurden.
Auch das Schicksal der Prostituierten lag ihr am Herzen. In Konstantinopel gab es zahlreiche Bordelle, der Nachschub an Personal
wurde von Menschenhändlern organisiert, die in der Provinz armen Eltern ihre halbwüchsigen Mädchen oder gar Kinder abkauften.
Zum Trost gaukelten sie den Vätern und Müttern vor, ihre Sprösslinge würden in der Großstadt eine gute Ausbildung erhalten
und viel Geld verdienen. Natürlich war das alles nicht der Fall, Kuppler und Zuhälter strichen die Profite ein, die die Prostituierten
erwirtschafteten, und hielten sie wie Sklavinnen. Theodora gab 535 ein Edikt heraus, das Zuhälterei |63| zum Verbrechen erklärte. Aus ihrem Privatvermögen stellte sie Geld zur Verfügung, um ein Heim für ehemalige Prostituierte
errichten zu lassen (es wurde
Metanoia
, Sinneswandel, getauft), und kaufte 500 Mädchen frei, zum Preis von je fünf Nomismata, was auf dem Markt als Einstandspreis
galt.
Theodoras Erfolge in der Frauenpolitik beschreibt der Chronist Prokop in gallenbitteren Worten: »In dieser Zeit wurden fast
alle Frauen sittlich verdorben; sie erlaubten sich jede Art Zügellosigkeit gegen ihre Männer, ohne dass ihnen dieses Verhalten
Gefahr oder Schaden gebracht hätte. Selbst die Ehebrecherinnen blieben ohne Strafe … In der Folge ließen sich die meisten
Männer von ihren Frauen gern alles gefallen und entgingen so durch ihr Schweigen der Züchtigung.«
Neben ihrem Engagement für die Rechte der Frauen galt Theodoras Augenmerk der Kirchenpolitik. Die Kaiserin hatte die frommen
Idole ihrer Jugend nicht vergessen. Wo sie konnte, setzte sie sich für die Monophysiten ein. Zeitweilig hatte diese Glaubensrichtung
sogar Konjunktur, ihre Vertreter gingen in Konstantinopel erhobenen Hauptes umher, doch dann, als der Regierung ein Zusammengehen
mit der Kirche in Rom wünschenswert schien, begannen die Verfolgungen wieder. Die Päpste, die den Monophysiten überhaupt nicht
gewogen waren, hatten das zur Bedingung für eine Zusammenarbeit mit dem Byzantinischen Reich gemacht. Theodora, die sich hier
nicht gegen ihren Mann und seine Berater durchsetzen konnte, blieb nur private Wohltätigkeit und Unterstützung für einzelne
von Verfolgung bedrohte Monophysiten. Ihren
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