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Frauen, die Geschichte machten

Titel: Frauen, die Geschichte machten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reinhard Barth
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Justinian, ihrem späteren Mann, begegnete, ist aus den Quellen nicht zu erfahren. Sie hatte sich
     angeblich nach ihrer Rückkehr als Wollspinnerin niedergelassen, aber dabei wird sie Justinian kaum kennen gelernt haben, eher
     in ihrer Rolle als Unterhalterin der besseren Herrschaften, welcher Beschäftigung sie sicher auch wieder nachging. Mit ihrer
     Wahl bewies sie Weitsicht. Justinian, 15 Jahre älter als sie, war nicht nur ein treuer Partner, der sie nie im Stich lassen
     oder ihr Gelegenheit zur Eifersucht geben sollte, er war auch der kommende Mann, der designierte Herrscher des Oströmischen
     Reiches. Noch saß auf dem Thron zwar sein Onkel Justin, ein alter Militär, aber der kränkelte und verstand wenig von Politik.
     Mehr und mehr überließ er die Geschäfte seinem begabten Neffen. 525 heirateten Justinian und Theodora. Dazu mussten einige
     Hürden beseitigt werden. Die Braut war in keiner Weise ebenbürtig, in Byzanz galt sogar ein ausdrückliches Verbot für Angehörige
     der oberen Gesellschaftsklassen, Schauspielerinnen zu heiraten, und Justins Frau, die Kaiserin Eudokia, war gewillt, es in
     ihrem Umkreis und erst recht gegen das Mädchen vom Circus durchzusetzen. Zum Glück für das Paar starb sie 523, das fragliche
     Gesetz wurde dahingehend geändert, dass Frauen, die »Reue« über ihr früheres Schaustellerdasein zeigten, vom Heiratsverbot
     befreit wurden. Man erhob Theodora in den Rang einer
Patricia
, damit gehörte sie zum Adel.
    Im April 527 war es soweit: Der alte Kaiser Justin, überzeugt, dass er nicht mehr lange leben würde (er starb auch tatsächlich
     noch im selben Jahr), ließ es zu, dass Justinian als sein Nachfolger gekrönt wurde. Am Ende der tagelangen Zeremonien betraten
     Justinian und Theodora in perlen- und edelsteinbesetzten Gewändern den Circus, um die Huldigungen einer riesigen Menschenmenge
     entgegenzunehmen – für Theodora ein schicksalsträchtiger Moment, schienen doch ihre demütigenden Kindheitserfahrungen hier
     an diesem Ort ein für alle Mal der Vergangenheit anzugehören.
    Justinian hatte ein ehrgeiziges Ziel: Er wollte das römische Weltreich in seiner alten Größe und Ausdehnung wieder aufrichten.
     Byzanz war ja nur die eine Hälfte, die andere, im Westen, wurde von verschiedenen Völkern und Stammesgruppen beherrscht, den
     Barbarenvölkern: den Wandalen, den West- und Ostgoten, die sich in Nordafrika, auf der Iberischen Halbinsel und in Italien
     breit gemacht hatten. Um sein Heer und seine Kriegsflotte zur Wiedereroberung des Westens aufzurüsten, brauchte Justinian
     Geld, viel Geld. Erhöhte |60| Steuern sollten es einbringen, aber damit schuf er Unwillen bei den Untertanen, der sich in dem Maße steigerte, wie die Steuerschrauben
     immer weiter angezogen wurden. Wieder war der Circus das Forum, in dem der Kampf ausgetragen wurde. Der Kaiser musste es erleben,
     dass die Blauen, die bisher zu ihm gehalten hatten, mit den Grünen zusammengingen, die per se seine Gegner waren. Einen Tumult,
     der im Hippodrom eines Tages losbrach, versuchte der Stadtpräfekt mit Gewalt zu unterdrücken. Er ließ einige Männer festnehmen
     und zum Tod verurteilen. Die Hinrichtung ging auf groteske Weise schief, da zwei der Delinquenten vom Galgen herunterfielen
     und so überlebten. Das deutete die Zuschauermenge als Gottesgericht und man schleppte die beiden in ein Kloster. Da es sich
     um je einen Blauen und einen Grünen handelte, eilten auch Anhänger der Parteien in schöner Eintracht herbei, um ihre Freunde
     vor den Häschern Justinians zu schützen. Derweil gingen die Rennen im Zirkus unter Anwesenheit des Kaisers weiter. Alles erwartete
     ein klärendes Wort von ihm. Doch der Kaiser schwieg, während die Gespanne auf der Rennbahn unermüdlich ihre Runden drehten.
     Schließlich forderte die Menge lautstark die Begnadigung, und als der Kaiser seine Loge verließ, hörte er hinter sich die
     ersten Rufe: »Nika! Nika!« (Sieg! Sieg!). Die Revolte hatte ihren Namen, als Nika-Aufstand ging sie in die Geschichtsbücher
     ein.
    Die Menge, in Kampfstimmung, zog los zur Präfektur, befreite dort einsitzende Gefangene und zündete das Gebäude an. Im Laufe
     der Nacht gingen weitere Gebäude in Flammen auf. Am folgenden Tag, es war der 14. Januar 532, sollten offiziell die Spiele
     fortgesetzt werden, doch niemandem war jetzt nach Wagenrennen zumute. Der Aufstand ging weiter, der Kaiserpalast wurde zur
     belagerten Festung. Zum Glück für Justinian befanden sich

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