Frauen, die Geschichte machten
sich bis zum Letzten zur Wehr setzen. Als
ob sie Reich und Kaiserkrone besäße, ließ sie sich selbstbewusst mit »Euer Kaiserliche Majestät« anreden.
Dann ging Maria Theresia in die Offensive. Sie hatte 1741 nach drei Töchtern den Thronfolger Joseph geboren und beschwor mit
dem Baby im Steckkissen auf dem Arm beim Pressburger Reichstag die Ungarn unter Tränen, ihr zu helfen. Das rührte die magyarischen
Herzen, politische Zugeständnisse taten ein Übriges. Ungarn gelobte Treue zur Monarchie, und das brachte letztlich den Umschwung.
Maria Theresia schloss mit ihrem gefährlichsten Gegner Friedrich dem Großen, wenn auch zähneknirschend, erst einen Waffenstillstand,
dann den Frieden zu Breslau (Juli 1742), verzichtete vorläufig auf Schlesien und warf ihre Streitkräfte geballt gegen Bayern
und Frankreich. Ihre Feldherren holten die Erbländer zurück, eroberten Bayern und befreiten Böhmen. Maria Theresia wurde in
Prag zur Königin von Böhmen gekrönt. Gekrönte Königin von Ungarn war sie schon seit 1741. Kaiser Karl VII. saß nun in Frankfurt
ohne bayerische Hausmacht da.
Jetzt kam auch England Maria Theresia zur Hilfe, warf die Franzosen hinter den Rhein zurück. Friedrich der Große sah daraufhin
seine Errungenschaften bedroht und begann den Zweiten Schlesischen Krieg (1744/45). Wieder gelang es Maria Theresia trotz
vieler Teilerfolge und einer geschickten Bündnispolitik nicht, den genialen Kontrahenten zu bezwingen. Sie musste ihm im Frieden
von Dresden (1745) die Hand reichen und neuerlich auf Schlesien verzichten. Immerhin sorgte Friedrich im Gegenzug dafür, dass
Maria Theresias Mann Franz Stephan als Franz I. 1745 zum Nachfolger des verstorbenen Karl VII. zum Kaiser gewählt und in Frankfurt
gekrönt wurde; Habsburg hatte die Krone des Reiches wieder gewonnen. An der Krönung nahm seine Frau zwar nicht |151| teil, weil sie nicht als Rangniedrigere erscheinen wollte und auf Zeremonien wenig Wert legte. Johann Wolfgang Goethe kam
zwar erst 1749 zur Welt, doch in seinen Erinnerungen »Dichtung und Wahrheit« (1811) berichtet er, dass die Leute in Frankfurt
noch viele Jahre nach dem Ereignis darüber fasziniert gesprochen hätten:
»Ältere Personen, welche der Krönung Franz’ des Ersten beigewohnt, erzählten: Maria Theresia, über die Maßen schön, habe jener
Feierlichkeit an einem Balkonfenster des Hauses Frauenstein, gleich neben dem Römer, zugesehen. Als nun ihr Gemahl in der
seltsamen Verkleidung aus dem Dome zurückgekommen, und sich ihr sozusagen als ein Gespenst Karls des Großen dargestellt, habe
er wie zum Scherz beide Hände erhoben und ihr den Reichsapfel, den Szepter und die wundersamen Handschuh hingewiesen, worüber
sie in ein unendliches Lachen ausgebrochen; welches dem ganzen zuschauenden Volke zur größten Freude und Erbauung gedient,
indem es darin das gute und natürliche Ehegattenverhältnis des allerhöchsten Paares der Christenheit mit Augen zu sehen gewürdiget
worden. Als aber die Kaiserin, ihren Gemahl zu begrüßen, das Schnupftuch geschwungen und ihm selbst ein lautes Vivat zugerufen,
sei der Enthusiasmus und der Jubel des Volks aufs höchste gestiegen, sodass das Freudengeschrei gar kein Ende finden können.«
Als letzter Gegner Maria Theresias war noch Frankreich geblieben. Doch als sich die Franzosen mit den Engländern über die
kolonialen Gegensätze einigen konnten, kam es zum europäischen Frieden von Aachen (1748) und damit zum Ende des von Maria
Theresias Thronübernahme ausgelösten österreichischen Erbfolgekrieges. Sie war nun unangefochten Königin und Kaiserin. Den
letzteren Titel verlieh ihr der Volksmund in voller Bewunderung für ihre Standhaftigkeit. Zwar hatte sie auf Schlesien und
Gebiete in Italien verzichten müssen, aber sie konnte die Habsburger Großmacht erhalten. Ihr Ansehen war größer, als es das
ihres Vaters je gewesen war, wenn sie auch über eine Million Untertanen an Preußen verloren hatte. Doch der Frieden währte
nicht lange. Ständig standen alle Großmächte, vor allem Preußen Gewehr bei Fuß, und auch Maria Theresia rüstete zu einem neuen
Waffengang, um Schlesien zurückzugewinnen. Dessen Verlust konnte sie nicht verwinden.
In der »Friedenszeit« kümmerte sie sich um innere Reformen, um bessere Verwaltung und um das Steuer- und Finanzwesen. Alle
ihre Maßnahmen zielten auf eine neue, schlagkräftige Armee. Außenpolitisch wurde sie vor allem von Wenzel Anton von
Weitere Kostenlose Bücher