Frauen lügen
worden. Und das, wie es aussieht, ohne jede Gegenwehr.«
Die Kommissarin redet sehr langsam und deutlich, ganz so, als sei er ein kleines und sehr begriffsstutziges Kind. Überraschenderweise findet Fred das tröstlich. Er nickt leicht und wartet darauf, dass sie fortfährt.
»Wenn Frau Michelsen aber eine Waffe bei sich getragen hat, dann wäre es doch verwunderlich, dass sie sich nicht gewehrt hat, oder?«
»Sie hat den Mörder gekannt. Sie hat ihm vertraut. Denken Sie das?«
»So ähnlich. Oder er hat sie sehr überrascht. Es gibt keinerlei Kampfspuren.«
»Nein. Er hat sie einfach abgeknallt. Wie ein Tier bei der Jagd.«
»Wie kommen Sie auf diesen Vergleich?«
»Sannes Mann ist Jäger. Sie hat voller Ekel davon gesprochen. Er hat sie mitgenommen und dann dort mit der Waffe üben lassen.«
»Sie wissen aber nicht zufällig, um was für eine Waffe es sich handelt?«
»Doch. Eine Sig Sauer. Stand drauf. In Goldbuchstaben. Das Ding war auch an anderen Stellen vergoldet und ansonsten blau. Ziemlich verrückt, wenn Sie mich fragen. Der Griff war aus Holz. Sie müssten sie im unteren Geschoss auf der Küchentheke finden. Sanne hat das Teil irgendwann dorthin gelegt, und wir haben dann immer die Kaffeebecher danebengestellt. Wir fanden das komisch …«
Noch während er redet, zieht die Kommissarin das Handy aus der Jeanstasche und tippt darauf herum.
»Sven? Bist du noch am Tatort? Schau mal unten auf dem Tresen. Da müsste eine Waffe liegen. Die Beschreibung hört sich ganz nach einer Sig Sauer P 226 an, scandic blue, wie’s aussieht. Der Traum jeder Polizeischülerin und nicht gerade ein Dutzendobjekt.«
Nervös klopft die Polizistin mit der freien Hand auf die Sitzfläche der Bank, während sie wartet. Fred hängt seinen Blick an die Fontäne und denkt an den ersten Abend mit Susanne auf seiner Terrasse. Das brennende Auto fällt ihm ein. Vielleicht war das alles weniger zufällig, als er bisher angenommen hat.
»Und ihr habt wirklich gründlich gesucht?« Die Stimme der Polizistin klingt ungeduldig. »Und die Munition, mit der sie erschossen wurde? Ist die auch weg? Die habt ihr. Umso besser, dann können uns die Ballistiker ja bald aufklären.«
Fred Hübner dreht den Kopf sehr langsam von der Fontäne zu der Polizistin. Es braucht Zeit, bis sich die Frage in seinem Hirn formt.
»Sie ist mit ihrer eigenen Pistole erschossen worden?«
»Wir prüfen das.«
»Dann muss es jemand gewesen sein, der von der Pistole in ihrer Tasche wusste.«
»Sieht im Moment so aus. Aber noch ist es eine Hypothese.«
»Sie wird es nicht jedem erzählt haben, oder?«
»Ich denke nicht. Hatte sie einen Waffenschein?«
»Hörte sich nicht so an.«
»Dann hatte sie auf jeden Fall Grund zur Vorsicht.«
»Und? Verdächtigen Sie mich jetzt?«
»Haben Sie ein Alibi?«
»Mein Zugticket. Ich bin am Nachmittag in Hamburg eingestiegen. Hatte mein Fahrrad am Westerländer Bahnhof. Als ich hier ankam, war die Polizei schon da.«
»Das lässt sich ja ganz gut überprüfen. Was haben Sie in Hamburg gemacht?«
»Recherchen für mein nächstes Projekt. Eine Reportage über den Bauboom am Hafen. Das neue Nobelviertel, Sie wissen schon.«
Beim Lügen sollte man immer so nah an der Wahrheit bleiben wie möglich. Der Gedanke an diese alte Journalistenweisheit gibt Hübner plötzlich Kraft. Und diese Kraft hilft ihm auch dabei, das, wonach die Kommissarin eben dummerweise nicht gefragt hat, für sich zu behalten. Denn wenn es wider Erwarten doch das Schwein Michelsen gewesen sein sollte, das Susanne abgeknallt hat, dann würde Fred das gern persönlich herausfinden.
Samstag, 20 . August, 0.25 Uhr,
Elbchaussee, Hamburg
»So richtig arm scheinen die Michelsens nicht zu sein«, murmelt Sven, während das Tor zur Einfahrt der Michelsen-Villa sich langsam zur Seite schiebt und die Sicht auf einen prächtigen Backsteinbau mit zwei breiten Erkern und einem zierlichen Turm freigibt.
»Dem Mann gehört eine komplette Immobiliengesellschaft. Die fünf Hotels von ihm und seiner Frau sind da nur das Sahnehäubchen.« Bastian Kreuzer zeigt auf sein Smartphone. »Die Kollegen haben mir gerade die Auswertung der Personenanalyse gemailt. Dieser Jonas Michelsen ist ein echter Goldjunge. Der hat in den letzten zwanzig Jahren mit Gewerbeimmobilien das große Geld gemacht. Erst in Berlin nach dem Mauerfall, dann hier in Hamburg, wo er herkommt. Kein Wunder, dass Hübner damals beim Hahnenkampf schlecht weggekommen ist.«
»Nicht alle Frauen
Weitere Kostenlose Bücher