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Frauen lügen

Frauen lügen

Titel: Frauen lügen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Ehley
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Susanne Michelsen als Repräsentantin des Establishments sterben? Die Art ihres Todes spricht dafür. Alles gleicht einer Hinrichtung. Susanne Michelsen ist aus relativ großer Nähe mit einem Schuss ins Gesicht getötet worden. Kaltblütig und wahrscheinlich geplant. Doch warum wurde dann die Waffe der Toten benutzt? Über die Information, dass die Sig Sauer sich samt Munition in Susanne Michelsens Handtasche befinden würde, konnten doch nur enge Vertraute verfügen. Eine Tatsache, die eindeutig gegen eine gesellschaftskritisch motivierte Tat spricht. Also ein Beziehungsdelikt? Dafür spräche die Untreue der Ermordeten. Nicht alles scheint bei dem Ehepaar Michelsen so geordnet gewesen zu sein, wie die Hotelerbin es Silja bei ihrer einzigen Begegnung hat weismachen wollen. Aber greift man in diesen Kreisen gleich zur Waffe, wenn es in der Ehe mal nicht so läuft, wie ursprünglich verabredet? Wohl kaum. Bliebe noch Wirtschaftskriminalität. In der Regel schwer aufzudecken und noch schwerer nachzuweisen. Zumal das Opfer selbst gar nicht kaufmännisch aktiv war. Ein Warnschuss also? Aber für wen?
    Doch wohl für Jonas Michelsen. Oder sollte gar der Liebhaber des Opfers, sollte vielleicht Fred Hübner gewarnt werden? Hat er nicht erwähnt, er recherchiere in der Hamburger Hafencity? Welchen Verknüpfungen ist er auf die Spur gekommen? Und wie muss sie es anstellen, um ihn zum Reden zu bringen?

Samstag, 20 . August, 8.35  Uhr,
Haus am Dorfteich, Wenningstedt
    Fred Hübner hat längst aufgehört, die Wiederholungen des Dreitongongs zu zählen. Wenn er gewusst hätte, wo die Türglocke abzustellen ist, hätte er es getan. Aber er weiß es nicht. Er weiß gar nichts mehr. Sein Leben ist seit gut zwölf Stunden ein schwarzes Rauschen, durch das ab und an höchst unwillkommene Blitze der Erkenntnis zucken.
    Da war ihm seit vielen Jahren zum ersten Mal ein Mensch wieder sehr nah – und nun soll er tot sein. Susannes Körper: kalt und starr. Ihr schönes Gesicht: zersprengt. Ihr Mund, der nie wieder reden, nie wieder lachen, nie wieder küssen wird. Seine Susanne: zwischengelagert in einer Metallschublade. Wo? Hier auf der Insel oder irgendwo auf dem Festland? Fred weiß es nicht. Er weiß nur, dass er noch nicht einmal das Recht hätte, Susanne ein letztes Mal zu sehen, um von ihr Abschied zu nehmen. Doch das ist es nicht, was ihn schmerzt, denn Abschied nehmen, das gerade will er ja nicht. Noch hängt ihr Duft in seiner Wohnung – in der unteren Etage seiner Wohnung, korrigiert er sich sofort. In der oberen ist ihr Blut an den Wänden und auf dem Boden verteilt.
    Fred hockt auf einem seiner Ledersessel, den Körper gekrümmt, den Kopf zwischen den Knien. Nie in seinem ganzen Leben hat er sich so klein gefühlt, so schutzlos, so bescheuert unwürdig. Alles hat er aushalten können, die berufliche Erniedrigung, den sozialen Abstieg, den Suff. Mit Mut und allen noch zu mobilisierenden Kräften hat er sich schließlich selbst aus dem Sumpf gezogen, hat auf den Alkohol verzichtet, monatelange Frondienste am Rechner geleistet und sich ein neues Leben erschaffen, dessen nach außen sichtbare Wegmarke diese Wohnung hier war. Ist. Hätte sein sollen. Diese Wohnung, in der nun die Frau getötet worden ist, deren Herz er wiedererobern wollte. Scheiß doch auf den Kitschverdacht, denkt Fred jetzt, manchmal sind die kitschigen Worte das einzig Wahre. Es ist ihm ja tatsächlich um das kleine, warme, untreue Herz Susanne Boysens gegangen, die nur aus einem Irrtum heraus so viele Jahre ihres Lebens den blöden Namen dieses selbstgerechten Nabob mit seinen quasi-pädophilen Neigungen getragen hat.
    An der Tür klingelt es wieder. Langsam hebt Fred den Kopf. Sie sollen ihn in Ruhe lassen. Er ist vollauf damit beschäftigt, das winzige Quäntchen Wut aufzuspüren, das sich eben in ihm geregt hat. Denn tief in seinem Inneren weiß er genau: Dies ist das Einzige, was ihn retten kann. Nur wenn es ihm gelingt, die Wut zu kultivieren, sie zum Antrieb seiner Aktivitäten zu machen, nur dann wird er in der Lage sein, das hier durchzustehen.
    Jetzt schlagen Fäuste an seine Wohnungstür, und eine kräftige Männerstimme ruft: »Herr Hübner, machen Sie auf. Wir wissen, dass Sie da sind.«
    Fred rührt sich nicht.
    Wieder die Fäuste, wieder die Stimme: »Wenn Sie nicht öffnen, brechen wir die Tür auf. Verdacht auf Suizid.«
    »Arschloch«, murmelt Fred und wuchtet sich aus dem tiefen Sessel. Als er sich mit schleppenden Schritten der

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