Frauen lügen
erschossen worden. Das haben Sie doch bestimmt mitbekommen.«
Neugierig beobachten Bastian und Sven die Reaktion der jungen Frau. Zunächst steht sie still, wie erstarrt, dann öffnet sich ihr Mund, doch kein Ton ist zu hören. Schließlich fährt sie sich mit der Hand über das Gesicht, wie um die Nachricht wegzuwischen.
»Das kann nicht sein. Ich habe sie doch vorhin noch beide gesehen. Als ich kam, saßen sie in der Küche, Frau Michelsen hatte gerade den Tee aufgesetzt.«
»Blond, extrem kurze Haare?«, fragt Bastian nach.
»Genau. So einen Pixie lasse ich mir vielleicht auch mal schneiden, ich muss nur noch meinen Freund überzeugen.«
»Das wird dauern, Männer stehen nicht auf Kurzhaarfrisuren«, wirft Sven ein, doch Bastian unterbricht das Geplänkel schnell.
»Die Dame, die Sie für Frau Michelsen gehalten haben, war eine Hamburger Bekannte von Jonas Michelsen. Seine Ehefrau war seit Jahren nicht hier, nur einmal in der letzten Woche – direkt vor ihrem Tod. Sie hatte übrigens lange blonde Haare. Und sie ist hier auf der Insel erschossen worden. Das kann Ihnen doch unmöglich entgangen sein.«
»Letzte Woche war ich im Urlaub in Ägypten, da hat’s keine Zeitungen gegeben.«
»Dann wissen Sie tatsächlich nichts von dem Mord?«
»Wenn ich’s Ihnen doch sage. Bin erst gestern Abend in Hamburg aus dem Flieger gestiegen.«
»Na dann. Aber lassen Sie uns noch einmal von Jonas Michelsens heutigem Hausgast reden. Diese Dame kennen sie also?«
»Ja, klar. Sie war schon öfter mit Herrn Michelsen hier, manchmal auch tagelang. Ich dachte natürlich, die beiden sind verheiratet. Aber darüber redet man ja mit seinem Arbeitgeber nicht. Außerdem legt
Luxus-Loft
viel Wert darauf, dass wir zurückhaltend sind, und ich will schließlich meinen Job nicht verlieren.«
»Es macht Ihnen auch niemand einen Vorwurf. Nur zu den Vorgängen heute früh hier im Haus würden wir Ihnen gern ein paar Fragen stellen.«
»Ich will aber nicht indiskret sein.«
»Junge Frau«, in Bastian Kreuzers Tonfall schleicht sich Ungeduld, »wir sind von der Kriminalpolizei, nicht von der Klatschpresse. Und es geht um Mord, nicht um Ehebruch. Nur damit das ein für alle Mal klar ist.«
Die Haushaltshilfe nickt eingeschüchtert.
»Was wollen Sie denn wissen?«
»Alles, was Sie heute Morgen beobachtet haben. Oder auch nur gehört. Vor allem interessiert uns, ob irgendetwas anders war als sonst.«
»Na, darauf können Sie aber Gift nehmen«, legt Mirjam Boest plötzlich los.
Sven Winterberg muss sich ein Grinsen verkneifen, allzu deutlich ist der jungen Frau die Erleichterung darüber anzumerken, dass sie endlich einmal ungehindert über ihre Arbeitgeber reden darf.
»Sonst ist hier immer alles ganz friedlich. Die beiden schlafen oft lange, manchmal macht Herr Michelsen noch im Kimono auf, und ich muss dann nur die untere Etage putzen und oben vielleicht noch die Bäder.«
»Und heute?« Bastian Kreuzers Stimme klingt ungeduldig.
»Heute saßen sie schon in der Küche. Herr Michelsen hat mich kaum begrüßt, nur die Tür aufgerissen und mich angesehen, als käme ich wirklich sehr ungelegen. Ich glaube, er hat sogar
auch das noch
gemurmelt. Dann ist er kommentarlos wieder in der Küche verschwunden, hat die Tür laut hinter sich ins Schloss fallen lassen und sofort angefangen zu brüllen.«
»Haben Sie verstehen können, was er gesagt hat?«
»Das ließ sich kaum vermeiden. Es ging um ein Testament. Herr Michelsen schrie mehrmals:
Sie ist meine Tochter.
Und dann noch:
Das ändert natürlich alles, das wirst du doch wohl verstehen.
«
»Herr Michelsen hat keine Tochter«, erklärt Sven Winterberg leise.
»Er hat keine Tochter, von der wir etwas wüssten, Kollege. Das ist etwas anderes«, belehrt ihn Bastian und will sich wieder der Haushaltshilfe zuwenden. Doch das laute Zuschlagen der Gartentür lenkt die Aufmerksamkeit aller auf sich.
Sekunden später wird die Haustür von außen aufgerissen und eine völlig verstörte Antonia Dornfeldt erscheint in der Diele. Sie trägt eine helle Baumwollhose und ein weißes Herrenoberhemd, dessen weite Ärmel hochgekrempelt und dessen lose Enden in der Taille geknotet sind. Auf dem linken Ärmel befinden sich mehrere Spritzer, die aussehen wie frisches Blut. Auf dem rechten Handrücken der Blondine sind einige kleine Kratzer.
»Das sieht aber gar nicht gut aus. Was haben Sie denn da gemacht?«, erkundigt sich Bastian mit leutseliger Mine.
»Das geht Sie gar nichts an. Ist Herr
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