Frauen lügen
Aufführungen ihre Ruhe haben will, und das dem Ehemann der ermordeten Susanne Michelsen gehört.
Silja Blanck bemüht sich um Konzentration, blendet alle privaten Probleme aus und versucht, nur die Motivlinien in diesem Fall zu sehen, natürlich in der Hoffnung, dass sich endlich ein Muster zeigen möge.
Alles dreht sich schließlich um die Schauspielerin und ihre Handys.
Es ist sicher keine übertriebene Schlussfolgerung, anzunehmen, dass es Marie Nussbaum selbst gewesen sein wird, die die fragliche Prepaid-Karte anlässlich eines ihrer vielen Hotelaufenthalte gekauft hat. Sehr wahrscheinlich hat sie auch das Handy dazu besorgt. Beides wird sie dann an eine bisher unbekannte Person weitergegeben haben, um mit ihr in der Folge mehrmals täglich unbemerkt telefonieren zu können.
Soweit zu Handy eins.
Handy zwei, offiziell auf Marie Nussbaum angemeldet und auch ihrem Ehemann bestens bekannt, findet sich am Freitag vor fast zwei Wochen überraschend in der Jacketttasche Jonas Michelsens. Obwohl er das bisher bestreitet, muss der Hotelier davon gewusst haben, schließlich hat er selbst einen Tag vorher mit diesem Handy telefoniert. Der Anruf beim Verkaufsbüro des Marco-Polo-Towers ist nachgewiesen und durch einen Zeugen verbürgt.
Aber wie ist das Handy von der Schauspielerin zu dem Hotelier gelangt, wenn beide beteuern, sich nicht zu kennen, und bisher niemand das Gegenteil beweisen kann? Die These, sie hätten ein Verhältnis miteinander und gute Gründe, ihre Beziehung zu verheimlichen, ist kaum noch zu halten, seitdem Antonia Dornfeldt auf Susanne Michelsens Beerdigung aufgetaucht ist und die
Bild
-Zeitung so freundlich war, ihre intime Freundschaft zu dem »lustigen Witwer« in etlichen Details zu dokumentieren.
Nervös streicht sich Silja eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Keinesfalls darf sie sich jetzt ihren analytischen Verstand vom Klatsch des Boulevardblattes vernebeln lassen. Also noch einmal langsam und von vorn: Marie Nussbaum hat ein Geheimnis. Sie unterhält eine wie auch immer geartete Beziehung zu einem Menschen, der alt genug ist, ein Handy zu bedienen, dessen Umgebung aber ganz offensichtlich nichts von diesem Handy wissen soll. Doch wer könnte dieser Mensch sein? Ein Kind, das die Schauspielerin vor Jahren heimlich geboren und leichtfertig zur Adoption freigegeben hat? Ein Geliebter, der nicht Jonas Michelsen ist? Ein peinlicher Familienangehöriger, von dem ihr Ehemann nichts wissen soll? Da lässt sich allerhand denken. Doch ohne zusätzliche Informationen wird Silja hier nicht weiterkommen.
Aber das ist nicht das einzige Rätsel. Denn es fehlt noch eine zweite Person in dem Schema, nämlich diejenige, die das offizielle Handy der Schauspielerin an Jonas Michelsen weitergereicht hat. Es muss jemand sein, dem Michelsen vertraut und dem gleichzeitig seine Ehefrau misstraut hat oder der ihr unbekannt war. Schließlich hat sie der Handyfund so beschäftigt, dass sie das Gerät ganz nah bei sich in ihrer Handtasche behalten hat.
Plötzlich weiß Silja auch, warum das so war. Natürlich hat Susanne Michelsen darauf gewartet, dass das Handy klingelt. Sie wollte den Anruf annehmen und auf diese Weise mehr über den Besitzer des Apparats erfahren. Wahrscheinlicher ist allerdings, dass es sich um eine Besitzerin handelt, korrigiert sich Silja sofort. Und eigentlich wäre es nur folgerichtig, wenn Jonas Michelsens Geliebte Antonia Dornfeldt diese Handybesitzerin wäre. Ist sie aber nicht, sondern die Schauspielerin Marie Nussbaum. Logisch gesehen gibt es für dieses Problem zwei Lösungen, überlegt Silja. Erstens: Die Schauspielerin und der Hotelier haben auch ein Verhältnis miteinander. Zweitens: Es gibt eine Verbindung zwischen Antonia Dornfeldt und Marie Nussbaum.
Aber was könnten diese beiden Frauen miteinander zu tun haben?
Silja stutzt. Kann es tatsächlich sein, dass sie gerade die beiden losen Enden des Fadens gefunden hat? Schnell ruft sie die Daten beider Frauen im Rechner auf und startet jeweils eine Google-Suche. Natürlich steht über die Schauspielerin erheblich mehr im Netz als über Antonia Dornfeldt, doch zwei Dinge lassen sich sofort feststellen: Die Frauen sind beide in Hamburg gemeldet und sie sind fast gleichaltrig, die Nussbaum 39 und die Dornfeldt 38 Jahre alt. Geboren sind sie allerdings an unterschiedlichen Orten. Die Schauspielerin in der Schweiz, die Dornfeldt in Kiel. Probehalber gibt Silja beide Namen gemeinsam in die Suchmaschine ein – und landet einen
Weitere Kostenlose Bücher