Frauen lügen
Ich bin aber noch nicht dazu gekommen, die Jungs zu fragen, woher sie die Durchwahl hatten.«
Bastian hebt den Blick und schaut in die Richtung, die ihm Siljas Hand weist. Er braucht einen Moment, um wirklich zu glauben, was er da sieht. Tomtom und Bo, die beiden Kiffer vom Zeltplatz, stehen mit hängenden Schultern am Rand des Weges. Als sie ihn erkennen, geht eine Spur von Erleichterung über ihre Gesichter, und Tomtom hebt kurz die Hand zur Begrüßung.
»Bleibt ja da stehen und rührt euch nicht. Ich bin gleich da«, ruft Bastian den beiden quer über Spurensucher und andere Helfer hinweg zu. Tomtom nickt artig, Bo reagiert überhaupt nicht.
»Du kennst die zwei?«, will Silja wissen.
»Sie haben als Einzige den Schuss aus dem Apartment von Fred Hübner gehört. Aber ihre Aussage hat uns auch nicht sonderlich weitergebracht.«
»Sie waren bei beiden Morden in der Nähe?«
»Sieht ganz so aus. Aber sie haben mit dem Fall nichts zu tun, das kannst du mir glauben. Die sind wahrscheinlich nur wieder durch die Dünen gestrolcht, um ihren Eltern zu entkommen. Aber es gibt schon eine dringend Verdächtige.«
»Wen?«
»Sven belehrt vermutlich gerade auf dem Kommissariat Antonia Dornfeldt über ihre Rechte.«
»Du meinst, sie war es?«
Bastian zögert kurz mit seiner Antwort. Er hofft sehr, dass seine spontane Entscheidung richtig war, die Geliebte Jonas Michelsens nicht mit zum Dünenrand zu nehmen. Nur so kann es vielleicht gelingen, ihr Dinge zu entlocken, die sie nur wissen könnte, wenn sie nach dem plötzlich abgebrochenen Frühstück in der Nähe von Jonas Michelsen geblieben sein sollte. Bastian kann nur hoffen, dass Sven die Dornfeldt nach allen Regeln der Kunst ausquetschen wird. Zu verlockend ist die Vorstellung, dass die vermeintliche Doppelmörderin sich bereits in Polizeigewahrsam befindet.
In knappen Worten informiert Bastian Silja über das Vorgefallene.
»Du siehst also: Antonia Dornfeldt hatte die Gelegenheit, das Motiv und wahrscheinlich sogar Informationen über die Tatwaffe. Das reicht dreimal für eine vorläufige Festnahme. Alles andere werden wir sehen. Übrigens: Wie lange ist Jonas Michelsen schon tot? Hat sich der Gerichtsmediziner dazu geäußert?«
»Der kommt erst noch. Aber die Jungs da hinten haben ihn gefunden, als das Blut noch lief, sagen sie. Es kann also nicht viel mehr als eine halbe Stunde her sein.«
»Okay, ich gehe rüber und rede mit denen. Willst du mitkommen?«
Silja nickt und wendet sich mit einem letzten Blick von der Leiche ab. In weitem Bogen gehen die beiden Ermittler durchs Dünengras, denn auf dem Weg oberhalb der Klippe sind die Spurensucher eifrig dabei, Sohlenabdrücke sicherzustellen. Tomtom und Bo blicken den Kommissaren fast hilfesuchend entgegen und sobald Silja und Bastian in Hörweite sind, sprudelt es aus Tomtom heraus.
»Voll krass, ey, wir laufen hier einfach nur durch die Dünen, und dann liegt da dieser Typ am Boden. Ich dachte erst, die drehen einen Film, Tatort oder so, und der Typ ist ein Dummy, aber dann hab ich gesehen, dass das Blut immer noch lief, und dann hab ich gleich bei euch angerufen.«
Mit einer hektischen Bewegung zieht er die zerknickte Visitenkarte des Hauptkommissars aus der Tasche, auf der Bastian handschriftlich die Durchwahl zur Westerländer Kripo-Direktion notiert hat.
»Habt ihr was angefasst?«, erkundigt sich der Hauptkommissar streng.
»Ja, ich, den Arm. Sorry auch. Ich dachte einfach, der wär nicht echt und wollte Bo so’n bisschen verschrecken …«
»Du bist also Bo?«, mischt sich Silja in das Gespräch und fixiert den rothaarigen Jungen genau. »Sag mal, was ist denn mit deinen Augen los? Mit den Pupillen stimmt doch irgendwas nicht.«
Bastian stöhnt. »Ihr habt jetzt aber nicht schon am Vormittag was eingeworfen, oder?«
Bo verdreht die Augen und schüttelt apathisch den Kopf, sagt aber kein Wort.
»Hey Kumpel, aufwachen! Ich hab dich was gefragt«, setzt Bastian ungeduldig nach.
»Lassen Sie den mal besser in Ruhe. Der hat wahrscheinlich ein Köpfchen zu viel geraucht und jetzt ist er ein bisschen abwesend. Deswegen wollte ich ihn ja auch schocken. Ich dachte, ich winke so’n bisschen mit der Hand von dem Dummy, der sah ja auch verdammt echt aus. Ach Scheiße, ey, das war er dann auch. Wenn das keine abgefahrene Geschichte ist …«
»Sagt mal, spinnt ihr beide?« Siljas Stimme überschlägt sich fast vor Empörung. »Hier liegt ein Toter. Und ihr findet ihn als Erste und fangt an, mit der
Weitere Kostenlose Bücher