Frauen lügen
andere nur Zufälle herrschen?
Nein, Fred ist sich sicher, hier handelt es sich um eine Spur, die zumindest genau untersucht werden sollte. Dass er dabei vorsichtig zu Werke gehen muss, versteht sich von selbst, denn es wissen jetzt einige Hotelmitarbeiter, dass er sich hier herumtreibt. Er kann nur hoffen, dass diese Eva Simons über die Begegnung in der Tiefgarage schweigt, und auch der Page und die Dame vom Empfang sein Auftauchen in der Halle nicht an die große Glocke hängen.
Vorsichtig blickt sich Fred Hübner auf der Straße um. Er braucht einen unauffälligen Aufenthaltsort, von dem aus er die Tiefgaragenausfahrt im Auge behalten kann. Da es in Sichtweite sowohl ein Restaurant als auch ein Café gibt, dürfte das nicht so schwer sein. Mehr Sorgen macht ihm schon die Tatsache, dass er mit seinem Rennrad nicht unbedingt in der Lage sein wird, Eva Simons zu verfolgen, wenn sie das Hotel verlässt. Jedenfalls dann nicht, wenn sie außerhalb von Rantum wohnen und bei ihrer Fahrt auf der Überlandstraße ordentlich Gas geben sollte. Da würde nur ein Leihwagen helfen. Oder ein Taxi, das rechtzeitig bestellt und für den ganzen Tag bezahlt werden müsste. Es kostet Fred Hübner mehrere Anrufe und ein längeres Wortgeplänkel mit einer mürrischen Angestellten, bis endlich ein Unternehmen verspricht, einen Wagen zu schicken.
Als das Taxi nach einer Viertelstunde eintrifft und unauffällig neben dem Café Posten bezieht, fühlt Fred Hübner zum ersten Mal seit Susannes Tod so etwas wie Zuversicht. Er hat eine Verdächtige und er hat dafür gesorgt, dass Eva Simons ihm nicht entkommen wird. Die Erleichterung flutet seinen Körper und setzt ein übermächtiges Bedürfnis frei. Eine Belohnung muss her. Fred verscheucht jeden vernünftigen Gedanken und ruft schnell nach der Kellnerin.
»Bringen Sie mir einen doppelten Espresso bitte. Und dazu einen Cognac.«
Donnerstag, 25 . August, 10.12 Uhr,
Uwe-Düne, Kampen
Wie ein träger Riese erhebt sich die Uwe-Düne aus dem flachen Naturschutzgebiet zwischen dem westlichen Ende der Kampener Bebauung und der Dünenkette, die zum roten Kliff hinaufführt. Besteigt man die hölzerne Treppe, die auf die Düne führt, so bietet der Blick von der Aussichtsterrasse das ganze Insel-Panorama zwischen Watt und Meer, wie Bastian weiß. Doch jetzt ist die Terrasse leer, und das Gelände um die Düne herum weitläufig abgesperrt. Inmitten des Bewuchses aus Gräsern, Heidepflanzen und vereinzelten niedrigen Rosensträuchern leuchten die hellen Schutzanzüge der Spurensucher im Sonnenlicht, und die strahlend weiße Leinenbluse Silja Blancks ist schon von weitem vor der Kulisse des wogenden Dünengrases zu erkennen.
Mit schnellen Schritten eilt Bastian dem abgesperrten Bereich entgegen. Es riecht nach den Aromen des Meeres, Salz und Schlick. Der Sommermorgen wirkt rein und strahlend, nichts deutet auf das grausige Verbrechen hin, das sich dort hinten ereignet hat. Bastian steuert die überschaubare Gruppe von Beamten an, die sich am Fuß der Düne versammelt hat. Seine Erfahrung sagt ihm, dass dies der Tatort sein muss.
»Moin, Moin, allerseits. Darf ich mal sehen?«
Siljas Blick streift ihn nur kurz, dann fixieren ihre Augen wieder den Männerkörper, der mit verrenkten Gliedern am Boden liegt. Es ist eindeutig Jonas Michelsen, dessen gelbes Polohemd auf der Brust ein Einschussloch und einen ungleichmäßig geformten rotglänzenden Fleck aufweist. An seinem Hosenbein haften kleine Steinchen vom Weg, und eine Hand umklammert immer noch wie hilfesuchend ein Büschel Gräser am Wegesrand.
»Herzschuss«, sagt Silja mit tonloser Stimme. »Der Mörder muss sehr nah vor ihm gestanden haben, es gibt starke Schmauchspuren, das kann man gut erkennen.«
»Die Waffe ist aber weg?«
»Bisher haben wir sie nicht gefunden. Aber ein Kollege, der sich ein bisschen auskennt, sagte, es könnte durchaus wieder die Sig gewesen sein. Aber ganz sicher ist er sich nicht.«
Während ein Fotograf den Toten aus allen Blickwinkeln aufnimmt, bemüht sich Bastian darum, eine Vorstellung von der Szene zur Zeit des Schusses zu bekommen.
»Wie sah es hier aus, als du ankamst, Silja?«
»Genau so wie jetzt auch. Ich war als Erste hier und habe darauf geachtet, dass niemand was verändert.«
»Keine Streife vor dir?«
»Hat mich auch gewundert, aber die beiden Jungs, die den Toten entdeckt haben, haben gar nicht erst 110 gewählt, sondern gleich bei uns angerufen. Es war Svens Anschluss, der geläutet hat.
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