Frauen rächen besser: Roman (German Edition)
wer mich kennt, der weiß, dass so ein Tag kein Tag wie jeder andere sein kann.
Wenn ich nicht frühstücke, bin ich nämlich unausstehlich, und nicht nur das.
Aufgrund des dramatischen Absinkens meines Blutzuckerspiegels – soweit meine persönliche medizinische Theorie dazu – stellt sich mein Körper dann auf eine Art Sparbetrieb um. Und dabei spart er nicht etwa beim Kalorienverbrauch, sondern ausschließlich bei der Leistungsfähigkeit. Die Auswirkungen reichen von Beeinträchtigungen der Motorik – den Lidstrich müssten Sie sehen! – bis zu umfassenden Blockaden meiner ansonsten durchaus respektablen geistigen Fähigkeiten, und das kann fatale Folgen haben.
So wie seinerzeit bei der Fahrprüfung, als ich nach einer Viertelstunde den Prüfer mit meinem kleinen Bruder verwechselte. Diese kleine Ratte nämlich – mein Bruder, nicht der Prüfer – hatte ausgerechnet meine privaten Fahrstunden mit Papis Wagen dazu auserkoren, seiner ansonsten völlig sinnlosen Existenz ein bisschen Bedeutung einzuhauchen. Er hockte dann immer mit Argusaugen auf dem Rücksitz und beobachtete, was ich tat, obwohl er mit seinen dreizehn Jahren noch gar keine Ahnung vom Autofahren hatte, und alle paar Minuten kamen Kommentare wie »Jede Wette, die lernt das nie!«, »Hast du das gesehen, Papi?« oder »Wenn die den Schein kriegt, können einige Versicherungen zusperren«.
Und dann am Tag X – an dem ich vor lauter Nervosität nicht gefrühstückt hatte, wohlgemerkt – hockte mein Prüfer auf dem Rücksitz, und auch der fand es lustig, meine situationsbedingte Nervosität mit dummen Sprüchen zu garnieren.
»Uiuiui, kleine Dame, Sie haben’s aber eilig, in den Himmel zu kommen«, sagte er, als ich einen anderen abdrängte, der sich im toten Winkel meines Rückspiegels befunden hatte. Dabei fuhren wir nicht mal dreißig!
Oder: »Wäre der Motor ein Lama, der würde sich jetzt glatt umdrehen und Sie anspucken«, als ich beim Anfahren zu viel Gas erwischte.
Oder: »Mal ganz ehrlich, fänden Sie das den anderen gegenüber fair, wenn ich Sie durchließe?« Und das nur, weil ich mich bei einer Ampel falsch eingereiht und unter wildem Hupkonzert auf den richtigen Streifen gezwängt hatte.
Und dann kam: »Also wenn Sie den Schein kriegen, können einige Versicherungen zusperren!«
Und dieses bekannt-verhasste Zitat in Verbindung mit der gähnenden Leere in meinem Magen führte schließlich zum Super-gau: Plötzlich sah ich nicht mehr die glatt polierte Billardkugel des Prüfers im Rückspiegel, sondern meinen nervtötenden, pickelgesichtigen Bruder, und dementsprechend reagierte ich: »Hör mal zu, du Warze: Wenn du nicht sofort die Klappe hältst, erzähle ich deinen Freunden, dass du ständig Mamis Unterwäschekatalog klaust und dir auf deinem Zimmer einen runterholst!«
Bums, dass hatte gesessen. Und ich bekam es gar nicht richtig mit, gelähmt wie ich war durch meinen Ernährungsmangel.
Später ließ ich mir vom Fahrlehrer erzählen, dass mein Ausspruch Gutes und Schlechtes bewirkt hatte: Gutes, weil die Billardkugel von da an die Klappe hielt, und Schlechtes, weil der Prüfer es im Sinne der Verkehrssicherheit für besser hielt, mir die Fahrerlaubnis zu verweigern. Und mir beim Aussteigen auch noch verkündet hatte, dass ich es in absehbarer Zeit gar nicht wieder zu versuchen brauche, denn er habe genügend Einfluss, um meine mobile Unabhängigkeit zu verhindern.
Und das alles nur, weil ich nicht gefrühstückt hatte.
Wobei die Geschichte in weiterer Folge glimpflich ausging, denn beim nächsten Mal hatte ich eine Prüferin, und die war ausgerechnet die im Streit geschiedene Ex der Billardkugel.
Als ich ihren Doppelnamen auf der Liste sah und darin den Namen der Billardkugel – der Mann hieß Schweintzer – erkannte, erlitt ich sofort einen kleinen Nervenzusammenbruch, aber mein Fahrlehrer klärte mich dann über die familiären Umstände der Dame auf. Von da an war es leicht. Noch bevor ich den Wagen startete, erzählte ich ihr, wie das mit ihrem Ex gelaufen war, und sobald sie mit dem Lachen fertig war, hatte ich den Zettel.
Aber dennoch, so eine Geschichte gibt einem zu denken, und seitdem setze ich meine Prioritäten richtig. Also: Kein Tag ohne Frühstück. Weil mein Körper es eben braucht. So einfach ist das. Und mit den Jahren habe ich das vollkommen automatisiert.
Würde mich jetzt beispielsweise um sechs Uhr morgens eine Freundin anrufen und sagen: »Du, im Sheraton liegt Bruce Willis nackt in seiner
Weitere Kostenlose Bücher