Frauen rächen besser: Roman (German Edition)
Folge die Kampffliegerjacke aus Kunststoffimitat anstelle des türkisblauen Angorapullis geliefert bekommen hat – mit einem Lächeln nimmt man ihm sofort den Wind aus den Segeln. Und wenn man es gut hinbekommt, ist er am Ende auch noch dankbar, weil eine Qualitätsfliegerjacke, wie sie Tom Cruise in »Top Gun« getragen hat, allemal besser ist als ein Angorapulli für Muttersöhnchen.
So musste ich also einsehen, dass die Lächeltaktik durchaus Sinn ergibt, und in weiterer Folge habe ich sie – sehr zur Freude des Marketingheinis – mit Begeisterung angewendet, bis mich die schicksalhafte Begegnung mit einer ehemaligen Studienkollegin aus meinen Träumen riss.
Studienkollegin?
Ja, genau, vor der Call-Center-Laufbahn habe ich studiert. Architektur, zwei Semester lang. Anfangs lief das sogar ganz gut, denn ich hatte einen Deal mit meinem Vater: drei Seminarscheine pro Semester, dann brauchte ich mich um das Finanzielle nicht zu kümmern. Wobei gesagt werden muss, dass mein Vater alles andere als reich war, maximal gutbürgerlich, aber er war bereit, seinen Teil zur glanzvollen Karriere seiner begabten und strebsamen Tochter beizutragen.
Wer seinen Teil nicht beitrug, war ich, denn nach einem Semester war ich drei Scheine im Rückstand, nach einem weiteren Semester sechs, und schließlich war die Geduld meines alten Herrn erschöpft. Das bedeutete: keine Kohle mehr für mich, was angesichts meiner gestiegenen Lebenskosten – Mietanteil für die echt coole WG, Benzin, Versicherung und Steuer für meinen pinkfarbenen Opel Corsa, Baujahr 1980 und wöchentlich neue Klamotten – ein nicht unerhebliches finanzielles Problem für mich darstellte.
Dass mein alter Herr nun finanzielle Mittel frei hatte, war andererseits ein Glück für meinen Bruder, der klug genug war, das Angebot meines Vaters zu nutzen, und jetzt als gefragter Society-Innenarchitekt viel Geld verdient. Mir selbst jedoch blieb damals nichts anderes übrig, als mich den Härten des Lebens zu stellen und mir einen Job zu suchen.
Das Problem daran war nur, dass es schnell gehen musste und ich in meinem Abizeugnis einen Notenschnitt von vier Komma drei hatte. Warum so schlecht? Nun, zu meiner Verteidigung muss ich sagen, dass das weder an mangelnder Intelligenz noch an fehlendem Arbeitseifer lag, sondern vielmehr an meiner wissenschaftlichen Neugierde. Die brachte mich nämlich dazu, in einem streng geheimen Versuch die chemische Wirkung von Sekundenkleber zu erproben, indem ich die Hand von Fräulein Hofstetter, unserer Englischlehrerin, mittels ein paar harmloser Tröpfchen zu einer untrennbaren Einheit mit der Türklinke unseres Klassenzimmers verband. Zwar konnte mir das nie jemand nachweisen, aber Fräulein Hofstetter roch den Braten und revanchierte sich dafür mit Prüfungen, die mir achtzig Prozent meiner gesamten Lernenergie abverlangten, um nicht durchzurasseln, und somit für die übrigen Fächer nicht viel übrig blieb. So kam es, dass ich mich mit einer Vier-Komma-drei auf Arbeitssuche begeben musste, und das war gar nicht einfach. Mit der Drei, bei der ich mich die Jahre davor bewegt hatte, wäre es ein Klacks gewesen, da hätte sich jeder Personalchef gedacht: »Sieh mal an: blond und gar nicht blöd!«, und ich hätte irgendwo auf mittlerer Ebene anfangen und mich dann in aller Ruhe bis zur Chefetage hochschlafen können.
So aber: Call-Center, Marathontelephonie, Marathonlächeln, dazu mein Name, und schließlich – meine Studienkollegin.
Die hieß Silke Bachmann und mit ihr hatte ich mich immer gut verstanden – zumindest die wenigen Male, die ich auf der Uni war –, und wir hielten es für eine gute Idee, bei einer Tasse Kaffee über die guten alten Zeiten zu plaudern.
Anfangs war das auch ganz okay, wenngleich es nicht angenehm ist zu hören, dass sich jemand zielstrebig dem Karriereziel nähert, das man eigentlich für sich selbst im Sinn gehabt hatte und für das man einfach zu inkonsequent gewesen war. Aber darüber hätte ich noch hinwegsehen können, vor allem deshalb, weil Silke rein vom Äußerlichen her schon auf Erfolg disponiert war. Damit meine ich, dass sie potthässlich war und ihr deshalb gar nichts anderes übrig blieb, als fleißig und strebsam zu sein, um ihr Dasein aus eigener Kraft ein bisschen erträglicher zu gestalten.
Also erzählte sie von ihren tollen Studienerfolgen und ich von meinen tollen Liebhabern, und jede beneidete die andere. Ich dachte mir schon, die kannst du eigentlich öfter treffen, die
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