Frauen rächen besser: Roman (German Edition)
kennt dein wirkliches Leben nicht und glaubt dir alles. Doch dann zeigte Silke ihr wahres Gesicht. Es geschah ganz plötzlich, ohne jede Vorwarnung, und ich muss gestehen, dass ich ihr das niemals zugetraut hätte.
Ich fachsimpelte gerade über gutes Aussehen und referierte über glatte Haut und den Schönheitswahn, dem viele unterliegen, und vielleicht empfand sie es auch als Provokation, dass ich ausgerechnet ihr gegenüber mit diesem Thema anfing. Jedenfalls erwähnte ich, wie froh ich war, noch jung genug zu sein, um mir keine Sorgen wegen Falten machen zu müssen. Dann legte ich eine kleine Pause ein, die in solchen Situationen eine gute Gelegenheit für den Gesprächspartner ist, um das zu bestätigen, was man gerade gesagt hat.
Und was tat dieses eiskalte Biest?
Die sagte gar nichts.
Stattdessen schaute sie mich nur an, und sie blickte nicht etwa direkt in meine Augen, sondern daneben, dahin, wo sich bei alten Menschen Tränensäcke und Krähenfüße einnisten, um ihnen die letzte Freude an ihrem ohnehin bereits schwindenden Leben zu nehmen.
Und für die Pause, die dann entstand, ist das Wort peinlich schon gar kein Ausdruck mehr.
Als mir dann endlich bewusst wurde, was Silke mir mit ihrem Schweigen entgegengeschleudert hatte, verzog ich mich auf die Toilette, und dort im Spiegel sah ich sie dann: Falten!
Sie waren rund um die Augen, sie waren rund um den Mund, sie waren einfach überall! Winzig zwar noch, bei oberflächlicher Betrachtung eigentlich gar nicht erkennbar, aber welche Frau betrachtet eine andere schon oberflächlich? Und ich war erst einundzwanzig. Wie würde ich erst aussehen, wenn ich alt wurde, dreißig zum Beispiel, oder uralt, über vierzig?
Die reinste Horrorvorstellung.
Natürlich beendete ich daraufhin sofort das Gespräch mit Silke und zischte ab nach Hause. Dort angekommen, wurden mir die Nachteile einer WG schmerzlich vor Augen geführt, denn meine beiden Mitbewohnerinnen hatten null Verständnis dafür, dass ich mich zwei Stunden lang im Badezimmer einsperrte und meinen ganzen Körper millimetergenau untersuchte.
Dabei machte ich eine interessante Feststellung: Mein Körper einschließlich meiner Arme und Beine war absolut in Ordnung. Da gab es nichts, wofür sich eine Einundzwanzigjährige zu schämen brauchte – damit meine ich nur die Falten, denn ich bin nicht so verblödet zu glauben, dass sonst alles perfekt ist an mir – und sogar die verräterischste Problemzone jeder Frau in reifen Jahren, der Hals, war glatt wie ein Babypopo.
Aber das Gesicht!
Da bahnte sich Dramatisches an, da begann sich eine regelrechte Faltenseuche auszubreiten, und ich fand keine vernünftige Erklärung dafür, warum das ausgerechnet bei mir so war. Damit meine ich, dass meine Mutter zwanzig Jahre älter war als ich und auch nicht aussah wie ein chinesischer Faltenhund, und mein Vater konnte sich sogar mit seinen siebenundvierzig noch sehen lassen.
Warum also ausgerechnet ich?
Ich begann mit meinem Schicksal zu hadern und war nahe daran, mich aufzugeben, aber dann begann sich tief in meinem Inneren etwas zu regen: Widerstand, Auflehnung, ein trotziges Sich-nicht-mit-seinem-Schicksal-abfinden-Wollen.
Ich begab mich auf Ursachenforschung und begann mögliche Gründe aufzuschreiben, warum man frühzeitig faltig werden kann:
1. Erbanlagen
2. Saufgelage
3. Nikotinmissbrauch
4. Zu wenig Schlaf
5. Stress
6. Zu viel Sonne
7. Kummer und Sorgen
Punkt eins konnte ich vergessen. Meine Eltern waren keine Faltendackel, und meine Großeltern in jungen Jahren auch nicht, das wusste ich von den alten Fotos.
An Punkt zwei hatte ich in meinem Leben höchstens ein Dutzend Mal teilgenommen, und auch da war ich bloß in meinem jugendlichen Leichtsinn verführt worden. Somit zählte das nicht.
Punkt drei: Sowieso abzuhaken. Bin Nichtraucherin aus Überzeugung.
Punkt vier: Braucht eine Einundzwanzigjährige überhaupt Schlaf?
Punkt fünf: Wenn nicht gerade der Marketingheini eines meiner Kundengespräche abhörte, war ich eigentlich kaum aus der Ruhe zu bringen.
Punkt sechs: Durfte sich mit einundzwanzig noch nicht auswirken.
Punkt sieben: Was zum Teufel sollte das denn sein?
Gründe, warum jemand keine Falten bekommt, waren:
1. Erbanlagen
2. Verzicht auf Alkohol
3. Verzicht auf Zigaretten
4. Viel Schlaf
5. Wenig Stress
6. Wenig Sonne
7. Freude und Unbeschwertheit
Zu Punkt eins: Hervorragend, Gott sei es gedankt.
Punkt zwei: Einem Gläschen hie und da bin ich nicht
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