Frauen sind auch nur Männer (German Edition)
Fußball-Sommermärchen unter Klinsmann in den Sprachgebrauch gekommen. Von Sieg zu Sieg verzeichnete die Wimpelindustrie steigende Absätze, boomte der Verkauf von schwarz-rot-goldener Kunstfaser. Jetzt, wo unser Nationalgefühl auf dem Rasen, der die Welt bedeutet, begraben wurde, werden sich die Politiker wohl auch den Gebrauch anderer Phrasen aus der Fußballwelt reiflich überlegen. Etwa, dass man in der Opposition »gut aufgestellt« sei, dass die Regierung »eine Steilvorlage geliefert« habe und dass der Bürger nicht »länger im Abseits« stehen sollte.
Damals, am 4 . Juli 2006 bei der WM , ereignete sich genau das, was sich jetzt bei der EM wiederholte. Die Italiener kickten uns mit 2 : 0 nach der Verlängerung aus dem Halbfinale. Ich weiß noch, wie mein Sohn nach dem Public Viewing traurig nach Hause schlich, wo ich ihn ebenso traurig auf der Terrasse erwartete. Aber damals blieben die Fahnen. Noch über das Endspiel hinaus – manche klammerten sich noch Wochen an Autos und Mauern fest, so als hätte man gar nicht Abschied nehmen können vom nationalen Sommermärchengefühl. Warum wurde nicht auch damals mit den Fahnen Tabula rasa gemacht? Einmal waren wir, war »Schland« Gastgeber, und schon deshalb behielten wir unsere gute Laune. Zweitens gewannen wir noch mit einem bravourösen 3 : 1 über Portugal den dritten Platz, während das Endspiel zwischen Frankreich und Italien (auch da siegte Italien) mit einer unschönen Rauferei und einem Kopfstoß von Zidane gegen seinen Gegner statt gegen den Ball eher böse endete. Wir fühlten uns heimlich und unheimlich mit dem dritten Platz als wahre Weltmeister.
Diesmal schlichen sich die Spieler wie getretene Hunde vom Platz, verbargen ihre tränenden Häupter unter Trikots, und keiner sagte ihnen mehr nach, sie seien gut aufgestellt. Kein dritter Platz stand in Aussicht. Es war ein patriotischer Interruptus. Statt nach Berlin zur Siegesnachfeier flogen sie ins Frankfurter Abseits. Jogi heißt wohl wieder Löw.
Jetzt, am »Tag danach«, las ich im Fahrgastfernsehen der U-Bahn den »Spruch des Tages«: »Der Sieg hat viele Väter. Die Niederlage ist eine Vollwaise.« Als Autor wurde Giovanni di Lorenzo genannt. Auch noch schönere Namen haben diese Kerle!
7 . Juli 2012
Fragen über Fragen
Was tat Gott, bevor er die Erde erschuf? Gibt es ordentliche Hotelzimmer in Kansas City? Die Welt ist und bleibt ein einziges Rätsel
Dem ersten Rätsel begegnete ich als Erstklässler in meiner Fibel. Und es war gleich ein Welträtsel. »Erst geht es auf allen vieren, dann auf zweien und dann auf drei Beinen.«
Die Antwort fand man, wenn man die Fibel auf den Kopf stellte, sie war verkehrt herum gedruckt. Die Antwort lautete, Sie ahnen es schon, »der Mensch«.
Heute – in einer überalterten Gesellschaft – verdanken Orthopäden und Röntgenologen dieser Lebensarithmetik ihre vollen Wartezimmer.
Später fand ich in Büchners Drama »Woyzeck« das buchstäblich einfachste, einfältigste Rätsel. Da zeigt der Hauptmann dem Doktor ein gefaltetes Tuch: »Was ist das?«, fragt er. Und antwortet selbst: »Einfalt.«
Es waren die Scholastiker des katholischen Mittelalters, die die ganze Welt zu Rätseln verwandelten. Etwa die Frage nach der räumlichen Dimension: Wie viele Engel passen auf eine Nadelspitze? Tja, wie viele?
Luther ging das so auf den Geist, dass er, sinngemäß, folgendes Rätsel stellte: Was tat Gott, bevor er die Welt erschuf? Und die Antwort, ebenfalls sinngemäß: Er saß im Busch und schnitt Ruten, für Leute, die dumme Fragen stellen würden.
Scholastische Fragen hat sich später auch Woody Allen gestellt. Etwa: Gibt es einen Gott? Und ein anständiges Hotelzimmer in Kansas City? Oder: Gibt es ein Leben nach dem Tode? Und ist man dort in der Lage, einen 20 -Dollar-Schein zu wechseln? Heute würde ich fragen: Wie viele Euro gehen bei den Engeln unter einen Rettungsschirm?
Es war der große Philosoph Martin Heidegger, Vater des Existenzialismus, der sich in seinem Hauptwerk »Sein und Zeit« die Rätselfrage stellte, ganz im Ernst: »Warum gibt es überhaupt etwas und nicht vielmehr nichts?«
Wie gesagt, das Leben bleibt, von der Fibel bis zur Bahre, ein Rätsel. Oder, wie es Hape Kerkeling telegerecht und zeitgemäß ausdrückte: »Das ganze Leben ist ein Quiz!« Von der Fibel bis zur Bahre – die Welt ist und bleibt ein einziges Rätsel.
21 . Juli 2012
Warum Seehofer keine Ruhe gibt
Erst klagen in Karlsruhe und dann siegen in Bayern? Vom
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