Frauen sind auch nur Männer (German Edition)
Leiden einer Nervensäge
Jetzt, da die Abgeordneten nach Verabschiedung des Rettungsschirms für Spanien wieder blitzschnell in ihren wohlverdienten Urlaub geflüchtet sind, unter die Sonnenschirme Mallorcas, der Costa del Sol und der Costa Brava, um uns im Regen stehen zu lassen, bleibt also nur Seehofer, weil Bayern noch keine Schulferien hat.
Der bayerische Ministerpräsident hat deshalb kurz noch mal auf die Pauke gehauen. Er hat angekündigt, dass Bayern zusammen mit den anderen Geber-Bundesländern vor dem Bundesverfassungsgericht gegen den Länderfinanzausgleich klagen will. Notfalls auch alleine. Bayern zahlt am meisten, nämlich 3 , 7 Milliarden, Berlin bekommt am meisten, nämlich gut 3 Milliarden. Aber keine Angst. Mit der Klage ist das wie mit dem Sommerloch. Wo kein Sommer, da auch kein Sommerloch. Bayerns Klage wird erst 2014 entschieden werden, wenn überhaupt.
Warum macht Seehofer das dann überhaupt? Weil er ein Politiker ist und weil Politiker auch Menschen sind. Menschen wollen ihren Job nicht verlieren, Politiker erst recht nicht. Politiker müssen sich wählen lassen. Das ist bitter. Seehofer ist aber besonders menschlich, er will behalten, was er hat, und bleiben, was er ist. Von Beruf ist er, um Ministerpräsident zu bleiben, Nervensäge. Wie übrigens Sigmar Gabriel auch. Beide nerven ohne Unterlass, weil sie denken, nur so im Amt bleiben zu können. Gabriel nervt gegen Merkel, gegen den Rettungsschirm, gegen ihre Euro-Politik, alles kommt für ihn zu spät oder zu früh, zu zögerlich oder zu drakonisch, ist falsch oder zumindest vom Zeitpunkt her falsch. Trotzdem stimmt er immer brav für den Rettungsschirm, für Merkel, für alles, was sie dem Euro in seinen Augen Schreckliches antut. Auch er fürchtet die Wahlen. Seehofer stänkert ebenfalls gegen Merkel, droht ihr pausenlos mit dem Bruch der Koalition, beschimpft die FDP , Nervenlaubsägearbeit eben.
Denn Seehofer kann rechnen. Seine CSU hat 45 Prozent, eher etwas weniger, sein Koalitionspartner FDP hat 5 Prozent, auch eher etwas weniger. Also kann Seehofer 2013 in Bayern nur weiterregieren, wenn er a) über 50 Prozent macht oder b) die FDP mindestens 5 . Also wettert er gegen den Länderausgleich und gegen Berlin, das bayerisches Geld verprasst, und dabei fällt ihm ein, dass Bayern auch noch einen FDP -Wirtschaftsminister hat, dem könnte die Klage vielleicht auch für 5 Prozent guttun, und dann wäre alles paletti.
Und was wird aus der Klage? Das ist Seehofer sch…egal. Denn die Klage ist, wie gesagt, 2014 , und Bayern wählt 2013 . Und 2014 ? Schau’n mer mal.
4 . August 2012
Den Braten nicht gerochen
Voller Superlative: die Geschichte eines Starjournalisten, der vorgab, in der Küche des Verfassungsgerichtspräsidenten gewesen zu sein
Jetzt, wo es heraus ist, jetzt also, wo alle Welt weiß, dass Heribert Prantl, Mitglied der Chefredaktion der »Süddeutschen Zeitung« und Vorzeigejurist des Blattes, nicht mal als, wie soll ich es oder ihn ausdrücken, »Mitesser« beim Bundesverfassungsgerichtspräsidenten in der Küche beim Köcheln, Schnipseln und Rühren dabei war, las ich seinen Artikel mit anderen Augen. »Vor Tische las man’s anders«, heißt es im »Wallenstein«. Ich ließ mir also sein hymnisches Porträt auf der Zunge zergehen und stellte fest, dass es inzwischen einen üblen Nachgeschmack hat. Einen »haut goût«. Es ist überwürzt mit Superlativen. »Andreas Voßkuhle leitet das berühmteste Gericht der Welt.«
Ein »Deutschland über alles«-Superlativ? Wo bleibt der Supreme Court zum Beispiel? Kommt schon im Text: Er leitet das »neben dem Supreme Court mächtigste Gericht der Welt«. Wow! Und ist, das folgt daraus, »der wahrscheinlich mächtigste Mann Deutschlands«. Mannomann, wie gut, dass wir auch eine Merkel haben.
»Wahrscheinlich mächtigste« ist so ein Superlativ, der sich selber auffrisst. Bei mir um die Ecke in Eppendorf gibt es eine Eisdiele, die mit dem Slogan wirbt, handgemalt: »das vielleicht beste Eis des Universums!«. Das »vielleicht« ist pure falsche Bescheidenheit. Wie das »wahrscheinlich«. Oder, wie der Schriftsteller Gerhard Zwerenz über seinen Kollegen urteilte: »Martin Walser ist der größte lebende Dramatiker unter den Roman-Autoren aus Wasserburg am Bodensee.« Na also, Diminuendo, geht doch!
Da Prantl den mächtigsten Mann des vielleicht berühmtesten Gerichts der Welt (oder war es umgekehrt? Egal) hymnisch feiert, möchte er auch bei ihm zu Tisch kommen dürfen,
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