Frauen sind auch nur Männer (German Edition)
klapprigen Gevatters ohnehin zu viel. Als ich vor ein paar Jahren über das Alter schrieb, das ja bekanntlich im Tod mündet (wenn er die Menschen nicht eher ereilt), fand ich ein Bild, ein Cartoon des »New Yorker« aus den vierziger Jahren. Da fällt ein Mann von einem Wolkenkratzer, sagen wir vom hundertsten Stock, aus dem Fenster und stürzt gerade an der vierzehnten Etage vorbei. Sein Gesicht zeigt ein breites Grinsen. Und seine Wortblase sagt: »Bisher ist ja alles gutgegangen!« Das ist ein notwendiger, wenn auch kurzsichtiger Optimismus in der Schlusskurve der Lebensbahn.
Wenn wir den Tod nicht verdrängten, um weiterzuleben, würden wir ihm früher anheimfallen. Montaigne hat in seinen »Gedanken« geschrieben, es sei im Grunde nutzlos, ja schädlich, sich vorzeitig (vor dem Ende) mit ihm zu beschäftigen. Und er pries den einfachen ungebildeten Bauern, den der Tod unerwartet und plötzlich überfällt. Wie den Mann, der an den Stockwerken vorbeisegelt. Natürlich kann man auch mit Woody Allen fragen: »Gibt es ein ewiges Leben nach dem Tod? Und wer sorgt dort für saubere Wäsche?«
In Themen-Talkshows kann man den Tod nicht einmal zerreden. Jetzt ist damit Gott sei Dank wieder, wie man so treffend sagt, Sense!
1 . Dezember 2012
Pirelli auf der falschen Spur
Wie der sehnlichst erwartete Kalender der Reifenfirma uns für das nächste Jahr die wichtigsten nackten Tatsachen vorenthält
Ist wieder eine Festung der Männerphantasien geschleift worden? Wieder eine Augenweide für Autofans und Voyeure feministisch umgepflügt? Der » FAZ « war es immerhin ein Bild auf Seite eins wert, mit der oberlehrerhaften Überschrift: »Thema verfehlt«. Auf dem Bild war nur andeutungsweise und sehr abstrakt und wie in Tropfen aufgelöst ein Körperteil zu sehen, der eher an ein Naturereignis als an einen verlängerten weiblichen Rücken erinnerte.
Worum ging es? Der Pirelli-Kalender erscheint jedes Jahr, sehnlichst erwartet, seit 1964 . Obwohl diesmal von dem illustren, preisgekrönten Fotografen Steve McCurry abgelichtet und zusammengestellt, lässt der Kalender 2013 Männerwünsche buchstäblich verdorren und verhungern. Der Fotograf hat sich Frauen in Rio ausgesucht, die sich durch soziales Engagement auszeichnen. Und wenn er einen einzigen Halbakt zeigt, dann das hochschwangere Topmodel Adriana Lima, wo nur der Bauch frei ist und vom künftigen Mutterglück der sozial Engagierten kündet. Wir erinnern uns, Pirelli ist eine Autoreifenfirma, deren jährlicher großformatiger Kalender das Höchste an ästhetischem Raffinement aus dem Ausziehen und Abbilden von schönen und sinnlichen Frauen für gierige und verwöhnte Männeraugen präsentiert. Ein jährliches Highlight zum monatlichen Abreißen, im Autosalon oder, noch besser, in der Autowerkstatt.
Wie wirbt man, verdammt noch mal, für Autoreifen? Das Michelin-Männchen mit seinem eher wulstigen Körper versucht es über den Weg, dass Liebe zum Auto auch durch den Magen geht, und verteilt Sterne für Gourmet-Tempel. Pirelli ging bisher den Weg allen verfeinerten Fleisches. Michael Kleeberg hat in seinem grandiosen Macho-Roman »Karlmann« eine glänzende Satire auf das Macho-Gehabe geschrieben, die das Auto wie den Reifen mit weiblichen Drei-Sterne-Pin-ups vermarktet. Da hängt im Büro des Autohauses, das der sexversessene Karlmann betreibt, das Pirelli-Abreißbild einer vollbusigen Schönheit, und der rücksichtslose Augenmensch denkt nicht einmal daran, den Kalender abzuhängen, als seine Sekretärin eine Brustkrebsoperation hinter sich hat. Derartiger Machismo wird im Buch bestraft, am Ende verlässt den Helden seine vernachlässigte Frau in Liebe zu ihrer Professorin.
Wollte Pirelli dem jetzt vorbeugen mit dem neuen Kalender? Die » FAZ « rügt jedenfalls, dass Steve McCurry als Zweiter an einer schlichten Aufgabe gescheitert sei, denn: »Der Auftrag lautet nur, keine Autoreifen, sondern mehr oder weniger nackte Frauen so zu fotografieren, dass sie noch beim kleinsten Kfz-Mechanikerlehrling die traditionellen Reaktionen hervorrufen.«
Karl Lagerfeld hatte es 2011 gewagt, seinen Pirelli mit frontal abgebildeten männlichen Nackten aufzumischen. Auch das erinnert schon an Reifen mit quietschenden Bremsen.
8 . Dezember 2012
Früher war mehr Lametta
Von der wechselnden Halbwertszeit der Weihnachtsbäume im Norden, Süden – und in Krisenzeiten
Jetzt, wo das Weihnachtsfest naht und die Weihnachtsbäume schon auf allen Marktplätzen tapfer in die Nacht
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