Frauen sind auch nur Männer (German Edition)
so beruhigt das Lied »doch leider mit der Nase nur«, sodass er wieder zum Eskimo wurde.
In den Macho-Zeiten war das mit dem »der, die, das« ohnehin schwer. Damals galt der Seufzer der Mutter über ihre Tochter: »Meine Emma erwartet ein Kind. Der die das gemacht hat, will nicht zahlen.« Mit der Pille und dem richtigen Dativ wäre das ihr nicht passiert. Als Gretchen den Faust, also den Supermacho, fragt, wie er es mit Gott halte, sagt der zu »das Gretchen«: »Wer darf ihn nennen, wer ihn bekennen?« Und folgert daraus am Schluss: »Name ist Schall und Rauch.« Schall & Rauch – das klingt nach einem Geschäft, und das ist wieder »es«.
12 . Januar 2013
Himbeeren für Jedermann
Im Reich der restlosen Befriedigungen – wie die Postmoderne den Früchten eine Wurmkur verpasste
Anfang der zwanziger Jahre, als Hofmannsthals »Jedermann«, das »Spiel vom Sterben des reichen Mannes«, noch ein Unikat der Salzburger Festspiele war, die es neben Mozart als zweiter Säule bis heute auch finanziell glanzvoll trägt, schrieb Polgar eine Glosse über einen reichen Mann, einen österreichischen Milliardär, der eine steinerne Villa, einen Mercedes-Benz mit des Nachts schneidenden Scheinwerfern besaß und der von Tag zu Tag reicher wurde.
Dieser Krösus fuhr nach Salzburg, sah das Stück und fuhr erschüttert von Salzburg »in dem Auto mit den furchtbaren nachtaufreißenden Scheinwerfern« heimwärts. Neben seiner Erschütterung hatte er die großartige Idee, den »Jedermann« kommerziell aufzupäppeln. Was dieser aber, wie gesagt, inzwischen längst allein kann, auf allen Plätzen und Speicherstädten des deutschen Sommertheaters, zum Ruhme Gottes und zur Besiegung des schnöden Mammons, der in persona auftritt.
Alfred Polgar schrieb von dem Milliardär: »Sein Besitz ist auf jener Höhe, wo nur mehr das Farb- und Duftlose gedeiht: Noch eine Milliarde, noch ein Haus, noch ein Auto, noch ein Frauenzimmer, noch ein Noch.« Und dann sinnierte Polgar: »Was gäb es denn für einen neuen Reiz in dieser Region der restlosen Befriedigungen?« Und kam zu dem Schluss: »Himbeeren ohne Würmer kann auch er nicht auf den Tisch bekommen.«
Da fiel mir ein, dass selbst für mich Mittelständler die weißen, sich aus der roten Frucht kringelnden Winzwürmer inzwischen der bewältigten Vergangenheit angehören. Selbst ich, der ich als Kind noch mit der Stecknadel in Himbeeren herumfischen musste und auch bei Kirschen auf Gewürm stieß, das im kalten Wasser aus der roten Frucht nach oben stieg, kann mir wurmfreie Beeren anstandslos leisten.
Manches Milliardärsprivileg ist also dem Fortschritt gewichen, ohne dass der die Menschheit glücklicher gemacht hätte. Ach ja, was waren Beeren und Früchte früher für Kostbarkeiten! Da kannte man das »Land, wo die Zitronen blühen« (Goethes Italien), da ließ sich der reiche Römer Lucullus Kirschen aus Kleinasien nach Rom bringen.
Später las ich in Augsteins Biographie über Friedrich II ., dass der Preußenkönig gar nicht so sparsam war, sondern sich für ein Winterfest Kirschen aus Italien bestellte. Und, da es damals noch keine Cargo-Flüge gab, dieselben mit einer Stafette reitender Boten mitten im Winter nach Potsdam in sein Sanssouci transportieren ließ – so, wie heute, bestenfalls als Reminiszenz, nur noch das olympische Feuer reist.
Es ist Januar, der Himmel ist grau, die Luft feuchtkalt, die Bäume kahl, ich spaziere über den Marktplatz und sehe Kirschen, Brombeeren, Erdbeeren und denke: Mein Gott, in dieser Hinsicht bin ich jedem König und Milliardär überlegen! Was will ich noch? Und was noch mehr?
19 . Januar 2013
Allein im Regen
Warum die Gazelle keinen Menschen zum Freund mehr hat. Und warum wir vor der politischen Korrektheit verzagen
Es gibt Sätze, Zeilen, Zitate, die vergisst man ein Leben lang nicht. Dazu gehört für mich der Satz: »Ein Neger mit Gazelle zagt im Regen nie.« Im Regen nie! Ein Neger mit Gazelle! Stammt der aus einer besonders schönen Erzählung, als die Welt noch Abenteuer, noch Wildnis war, in Afrika etwa? Dagegen spricht das Präsens, in dem das Verb »zagt« steht und das den Satz beschließende »nie«. Es klingt doch eher nach einer Bauernregel oder nach einem Sprichwort. Einer Erfahrung aus »Robinson Crusoe« oder einer Geschichte in »Brehms Tierleben«, wo eine Gazelle und ein Schwarzafrikaner einander begegnen, und es regnet furchtbar, und beide wollen schon verzagen, da sehen sie einander und trotzen fröhlich dem
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