Frauen und Bücher: Eine Leidenschaft mit Folgen (German Edition)
als ihre neue Heimat erkoren haben.
Schon bald geben sich die Subskribenten, die Sylvia Beach für den Ulysses gewonnen hat, die Klinke in die Hand. Seit Monaten warten sie auf ihr Exemplar. Sie sind nicht willens, sich noch weiter vertrösten zu lassen, und sei es auch nur die acht Tage, bis die Auflage aufgebunden und in Paris angelangt ist. Schließlich nimmt Sylvia Beach das Exemplar des Ulysses wieder aus dem Schaufenster.
In der Rue de l’Université sitzt derweilen der Autor des Buches, das diesen ganzen Wirbel verursacht. Sechzehn Jahre lang hat er darüber nachgedacht und schließlich sieben Jahre daran geschrieben. Seine Lebensgefährtin Nora Barnacle wird das ungefragt jedem unter die Nase reiben, als sie an dem Abend mit Freunden den doppelten Geburtstag von Autor und Buch in einem italienischen Restaurant feiern. Das Exemplar, das ihm Sylvia Beach am Morgen gebracht hat, trägt die Nummer 1000. Joyce hat die Absicht, es Nora zu widmen, die er erst 1931 heiraten wird, als die beiden gemeinsamen Kinder Giorgio und Lucia schon erwachsen sind. Doch er zögert noch, als ob er schon ahnte, dass sie sein Buch nie lesen wird. Dabei spielt der Ulysses an dem Tag, an dem Nora und er ihre Liebesbeziehung begonnen haben: dem 16. Juni 1904. Einige Monate später wird der Schriftsteller Gilbert Seldes, der eine überschwänglich lobende Besprechung des Ulysses für The Nation verfasst hat, sie beide ins Ballett einladen, um den 16. Juni zu feiern. Als Joyce Nora die Einladung mitteilt und dabei mit Nachdruck das Datum hervorhebt, ist ihre Reaktion Unverständnis: »Warum gerade an diesem Tag?«, fragt sie. Für ihn ist das ein Affront in doppelter Hinsicht: »Weil dies der Tag ist, an dem das Buch stattgefunden haben soll«, entgegnet er wütend. Da hat er Nora das ihr gewidmete Exemplar Nr. 1000 schon überreicht – im Beisein Arthur Powers, eines jungen Iren, den er in Paris kennengelernt hat. Und was tut Nora? Sie wiegt es in der Hand und wendet sich an Arthur: »Was kriege ich dafür?« Das ist ihre Art, der Welt ihren Missmut über die finanzielle Misere mitzuteilen, in die sie samt Kindern an der Seite dieses Mannes geschlittert ist.
Das Exemplar Nr. 1 der Luxusausgabe, die erst Wochen später in Paris eintreffen wird, hat Joyce hingegen einer anderen Frau vorbehalten: Harriett Shaw Weaver, der englischen Mäzenin und Freundin. Weaver ist Herausgeberin des Magazins The Egoist , das Teile des Ulysses -Manuskripts vorab veröffentlicht und sich damit den Protest von Druckern wie Abonnenten eingehandelt hat. Weaver war streng als Quäkerin erzogen worden, hatte sich aber von den Ideen ihrer Familie entfernt und dem Feminismus zugewandt. The Egoist , den sie 1914 von Dora Marsden übernommen hatte, hieß ursprünglich The Freewoman , dann The New Freewoman , bis die männlichen Redaktionsmitglieder, die mit der Zeit hinzukamen, für eine Namensänderung plädierten, um den Charakter der Zeitschrift »als Organ der Individualisten beiderlei Geschlechts« zu kennzeichnen. Unter Weavers Regie brachte The Egoist den ersten Roman von Joyce, Ein Porträt des Künstlers als junger Mann , seit 1914 in Fortsetzungen. Schon damals aber begannen die Schwierigkeiten mit Joyce. Die Londoner Verleger, darunter auch Virginia Woolfs Halbbruder George Duckworth, lehnten eine Veröffentlichung ab: Das Buch habe Längen, hässliche Dinge, hässliche Wörter würden allzu sehr überwiegen, es sei unappetitlich. Aber auch die Drucker, aufgeschreckt durch die gerichtliche Verfolgung von D. H. Lawrence, lehnten es ab, den Text in seinem gegenwärtigen Wortlaut zu drucken; wenn überhaupt, dann nur mit Auslassungen. Der Dichter Ezra Pound, der sich für Joyce über die Maßen einsetzte, entwickelte in dieser Situation den so verzweifelten wie kuriosen Vorschlag, dort, wo Textstellen ausgelassen wurden, weiße, leere Aussparungen zu machen. Mit Schreibmaschine könnten die unterschlagenen Passagen dann vervielfältigt und an den entsprechenden Stellen wieder eingeklebt werden. Wenn notwendig, so bot er Joyce an, übernehme er das selbst. Die Öffentlichkeit könne dann entscheiden, welche Buchform sie kaufen wolle. Pound schloss sein Schreiben mit dem Ausruf: »Der Teufel soll die Zensoren holen!«
Harriet Weaver vermittelte das Porträt daraufhin an B. W. Huebsch, einen amerikanischen Verleger. Von ihm übernahm sie später die Druckbogen für eine englische Auflage. Beim Ulysses , der ab 1918 in druckfähigen Auszügen vorlag,
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