Frauen und Bücher: Eine Leidenschaft mit Folgen (German Edition)
und der Tugend zu befördern.
Ergebnis war der Briefroman Pamela oder Die belohnte Tugend. Vertrauliche Briefe eines schönen jungen Frauenzimmers an seine Eltern . Der Erfolg stellte sich prompt ein und nahm ungeheure Ausmaße an, weit über England hinaus. Die Zahl der Nachahmer war, wie später beim Werther , Legion. Bei der zeitgenössischen Damenwelt galt es als sträfliche Unterlassung, Pamela nicht zu kennen. Die Schriftstellerin Anna Barbauld erzählt, in Ranelagh, einem öffentlichen Vergnügungspark im Londoner Stadtteil Chelsea, sei es üblich gewesen, dass Frauen ihre Ausgabe der Pamela demonstrativ bei sich trugen, um aller Welt zu zeigen, dass auch sie zu den Leserinnen des Buches zählten. Selbst eine Vertreterin der traditionellen adligen Lebens- und Denkart wie die damals prominente Lady Mary Wortley Montagu vermochte sich dem Sog der Lektüre nicht zu entziehen, obwohl ihr die neue Richtung im Grunde nicht passte: Pamelas Ehetriumph, so meinte sie, »war große Mode in Paris und Versailles und ist noch immer das Vergnügen der Dienstmädchen aller Nationen«. Gerade bei einem Publikum, das an Literatur bislang nicht interessiert war, stieß der Roman auf eine erstaunliche Resonanz, und das noch Jahrzehnte nach Erscheinen, als sich das Interesse der literarischen Kreise längst abgekühlt hatte. » Pamela war der erste Roman überhaupt, den wir lasen«, berichtet etwa ein Richard Griffin, der 1825 eine Anthologie mit Leseproben von Romanschriftstellern herausgab und jeweils mit einleitenden Bemerkungen versah.
Wir waren gerade Schuljungen, als unsere Großmutter von einer unerträglichen Langeweile dazu getrieben wurde, den Roman in Fortsetzungsbänden aus der Bücherei zu entleihen. Sie (eine gute Frau) war keine Romanleserin – um nichts in der Welt hätte sie einen Roman gelesen, aber wie hätte sie auch vermuten sollen, dass sich hinter dem Titel Pamela oder Die belohnte Tugend so etwas verbarg … Sie glaubte jedes Wort, das sie las, so wie sie es bei der Bibel tat: und an den Winterabenden, nach dem Tee, las sie das Buch der versammelten Hausgemeinschaft laut vor, Seite um Seite, vollkommen erfüllt von dem, was sie las, indem sie jeden Absatz in sich aufnahm und kommentierte. Und sie machte niemals eine Pause, es sei denn, sie stieß auf einen prickelnden Abschnitt des seine Leser verhexenden Autors, bei dem ihre Stimme versagte – dann zitterten ihre Lippen und sie konnte nicht fortfahren, weil ihr das Herz überquoll.
Um Tugendhaftigkeit ging es in Pamela durchaus – insofern lag auch Richard Griffins Großmutter mit ihrer Erwartung nicht völlig falsch. Allerdings auf ungewöhnliche, um nicht zu sagen unmoralische Weise; denn während die vollständige Titelfügung eine religiös grundierte Sittsamkeitslehre vermuten lässt, erzählt Richardson die Geschichte vom amourösen und sozialen Aufstieg einer Tochter aus einer verarmten Familie mit dem Allerweltsnamen Pamela Andrews. Als die Handlung einsetzt, ist sie fünfzehn Jahre alt und seit drei Jahren in den Diensten der adligen Mrs B., welche soeben verstorben ist. Noch auf ihrem Totenbett hat sie Pamela, die bei ihr Schreiben, Nähen und Rechnen gelernt hat, der Obhut ihres Sohnes anvertraut. Der aber entpuppt sich rasch als ein junger, verantwortungsloser Libertin, der sie mit Geschenken und Komplimenten, schließlich auch mit Gewalt zu seiner Geliebten machen will.
Pamelas Drama wird erfahrbar in einer Flut von Briefen, die von ihrem einsamen Schreibpult in ihr Elternhaus wandern – nur die wenigsten sind Antwortbriefe ihrer Eltern. Pamelas Briefe sind expressiv und emotional, aller Floskelhaftigkeit und Konvention entkleidet; sie sind in direkter Reaktion auf die vorfallenden Ereignisse geschrieben und bieten dem Leser einen unmittelbaren Einblick in ihre Gefühle und Gedanken. Stets entstehen sie direkt aus der Situation heraus. Deutlich wird das bereits an dem ersten Brief Pamelas an ihre Eltern. In dem Augenblick, da Pamela den Brief falten will, tritt Mr B. unerwartet ein. Pamela versteckt den Brief in ihrem Ausschnitt, was dem jungen Mann, der längst ein Auge auf sie geworfen hat, nicht entgeht. Er erkundigt sich, lässt sich den Brief zeigen und liest ihn. Nachdem Mr B. gegangen ist, schildert sie ihren Eltern in einem Postskriptum diese Szene, und ihr erregter Ton verrät dem Leser etwas von dem Verlangen, das sie bei dem ihr noch fremden Mann gespürt hat, aber auch von der gefährlichen Zuneigung, die bei ihr selbst
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