Frauen und Bücher: Eine Leidenschaft mit Folgen (German Edition)
Mann könne sie lediglich davon erzählen, und zum Vorlesen fehlt ihr in Clausthal die passende Gesellschaft. »Da mich die alte Amtmannin schon allein so ungemein vergnügte, was wärs nun gewesen, wenn Du es mir z. B. vorgelesen hättest, in einer komfortablen Stube bei abscheulichem Wind und Wetter so recht in sich selbst gehüllt, zur Diversion etwa eine Tasse Tee!«
Allerdings möchte sie wissen, »wer denn der Verfasser wär«. Bis die Identität der Autorin enthüllt wird, dauert es noch zwei Jahrzehnte. »Alle Produkte scheinen von einem Manne, und von keinem mittelmäßigen Kopfe zu sein«, mutmaßt Schillers Freund Christian Gottfried Körner. Als 1817 die Zeitung für die elegante Welt dann das Inkognito lüftet, geschieht das ohne Zustimmung der mittlerweile fünfundsechzigjährigen Autorin, die ihre Werke wegen eines Augenleidens nun diktiert. Sie heißt Benedikte Naubert, hat ihr erstes Buch mit siebenundzwanzig Jahren veröffentlicht, lebt zurückgezogen in Naumburg, wo sie, geschützt vor den Augen der Öffentlichkeit, einen Roman nach dem anderen verfasst, insgesamt bislang weit über fünfzig. Dass sie die Anonymität vorzieht, mag mit ihrer traditionellen Erziehung zu tun haben, die von tugendhaften Frauen damals ein »eingezogenes«, aufs Haus beschränktes Leben fordert. Es schützt ihre Werke aber auch davor, als Hervorbringungen einer Frau beurteilt zu werden, was in der Regel mit Geringschätzung einhergeht. Sie selbst betrachtete die »viel glücklichere Verborgenheit« als einen »Schleier vor Lob und Tadel«. Auch die bereits erwähnte Sophie von La Roche hatte ihren Roman Geschichte des Fräuleins von Sternheim anonym veröffentlicht, mit Christoph Martin Wieland als Herausgeber. Dieser hatte in seinem Vorwort das Buch mit dem neuen und durchaus griffigen Etikett »Frauenroman« versehen. Das war für Sophie von La Roche und ihr Werk indes nicht nur vorteilhaft. Denn es ging einher mit einer starken Einschränkung. Die Autorin habe nie daran gedacht, »ein Werk der Kunst hervorzubringen«, betonte Wieland ausdrücklich. Der moralische Nutzen gehe ihr über alles: »Gutes will sie tun, und Gutes wird sie tun.« So inaugurierte er zwar eine neue Gattung, aber mit eng gesteckten Grenzen: Ein Frauenroman ist keine Kunst, sondern lediglich moralische Unterweisung.
Pierre-Antoine Baudouin, »Die Lektüre«, um 1760,
© Jean Tholance/Photo Les Arts Décoratifs, Paris
Die Dämonisierung des weiblichen Lesens diente neben seiner moralischen Verurteilung häufig auch dazu, »kleine Abbés, junge leichtblütige Advokaten, dicke Finanzmänner und sonstige Leute von schlechtem Geschmack« aufzugeilen, wie Denis Diderot die Kundschaft von Bildern wie dem oben abgebildeten beschrieb, das Pierre-Antoine Baudouin um 1760 malte. Das Buch ist der Leserin aus der Hand geglitten, hin zu den anderen Dingen weiblichen Vergnügens: Schoßhund und Laute. Rousseau hat im Blick auf derlei Lektüre von Büchern gesprochen, die man nur mit einer Hand liest. Masturbation war ein zentraler Grund, warum die Lesewut gerade auch der Frauen seinerzeit mit großer Skepsis betrachtet wurde.
Anders dagegen Benedikte Naubert. Dass sie zu diesem Zeitpunkt niemand kennt, gibt ihr die Freiheit, zu schreiben, was ihr beliebt (solange es dem Publikum gefällt), ohne auf »Frauenromane« festgelegt zu sein. Ihre Spezialität werden historische Stoffe. Entscheidend wirkt sie an der Etablierung der neuen Gattung des historischen Romans mit, beeinflusst sogar eingestandenermaßen Walter Scott. In der Regel inszeniert sie eine erfundene private Geschichte vor dem Hintergrund von Weltereignissen und verwebt so historische Kenntnisse mit zeitgenössischer Psychologie. Das gibt ihr die Möglichkeit, die Historie zur Verkleidung für Zeitkritik zu nutzen. Ebenso zukunftsweisend ist ihre Verbindung des Historischen mit dem Phantastischen. Die Romantiker haben sich davon anregen lassen; Nauberts Einfluss reicht bis in die Fantasyliteratur des 20. Jahrhunderts hinein. Doch die fleißige Autorin beherrscht auch andere als das historische Genre. Die von Caroline so geschätzte Amtmannin von Hohenweiler ist ein Familienroman. Die miteinander verwobenen Einzelschicksale finden ihren Mittelpunkt in der Titelheldin: einer alternden bürgerlichen Frau und Familienmutter – allein dieser Umstand schon macht das Werk in der Literatur der Zeit mit ihren zumeist jugendlichen Helden und Heldinnen einzigartig. Ihr Rückblick auf das Leben ihrer
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