Frauen und Bücher: Eine Leidenschaft mit Folgen (German Edition)
à femme , in den sich viele verlieben, so auch Carolines Schwester Lotte. Aber er ist bindungsscheu und wird nie heiraten, ein Vogelfreier und in vieler Hinsicht ein Seelenverwandter Carolines. Meyer ist auch der Mann, von dem Therese Heyne, eine andere Göttinger Professorentochter, später bekennen wird, mit ihm habe sie zum ersten Mal Leidenschaft erlebt – »nach allen Regeln der Leihbibliotheken«. An diesen Wunschmann gehen jetzt und in den nächsten Jahren viele, häufig Carolines persönlichste Briefe.
Wie schon als Jugendliche versucht Caroline auch in Clausthal die unausgefüllte Zeit mit Lektüre zu vertreiben. An die Schwester Lotte und andere Beschaffer sendet sie Briefe mit Bücherbestellungen, verbunden mit ungeduldigen Ermahnungen. Eine Botenfrau schafft dann das Gewünschte, soweit in einer Göttinger Leihbibliothek, einem Buchladen oder dem Lesezirkel der Frau Professor Vollborth vorhanden, herbei und nimmt die ausgelesenen Exemplare gleich wieder mit. »Ob Du nichts zu lesen für mich hast?«, schreibt sie an ihre Schwester.
Ich vertrockne seit einiger Zeit, weil alle meine Bücherquellen sich verstopfen … nun bitt ich Meyern [der seit 1785 Bibliothekar in Göttingen ist], erstlich um etwas Amüsantes gut zu lesen, wenn man auf dem Sofa liegt . Das muss kein Foliant sein, sondern was man mit einer Hand hält. Wohl möcht ich neuere französische Trauerspiele, kleine Romane, Memoires oder auch etwas ernsthaftres. Gott! Er muss es ja wissen. Mir ist alles willkommen, was ich noch nicht gelesen habe. Zweitens möcht ich etwas zu lesen, wenn man auf dem Sofa sitzt und einen Tisch vor sich hat, als ältere englische Geschichte aus Alfreds Zeiten, und den 4ten Teil von Plutarch (die andern hab ich gelesen) … Betreib dies ein bisschen für Deine Schwester; es ist unverantwortlich, dass man mich so gleichgültig zum Aschenbrödel werden lässt.
Lesen im Liegen wie im Sitzen: Die junge Ehefrau will nicht nur amüsiert, sondern auch belehrt werden und ist dafür bereit, die lässige Position der in halb liegender Stellung lesenden und Besucher empfangenden besseren Dame mit der ungleich weniger komfortablen des Gelehrten zu vertauschen, der die vor ihm aufgeschlagenen Bücher studiert – das dürfen dann auch große Folianten sein, wie sie der Fürstin Gallitzin nachgetragen wurden, als sie sich in Göttingen aufhielt.
Langsam wird Carolines literarischer Geschmack experimentierfreudiger. Da wäre etwa der Gustav Aldermann von Friedrich Traugott Hase zu nennen, von dem sie behauptet, er bereite ihr »so manche recht vergnügte Stunde«. Hase, ein Außenseiter des damaligen literarischen Lebens, verfasste Dialogromane, die er als dramatisch bezeichnete. So wie Briefromane nur aus Briefen, bestanden sie fast ausschließlich aus Gesprächen. Erzählt wird die Geschichte eines Karrieristen, dessen Laufbahn steil aufwärts führt, seit er sich verbietet, den Regungen seines Herzens zu folgen. Das ist nicht gerade ein Stoff für empfindsame Seelen.
Daniel Chodiwiecki, Illustration zu Blumauer, J. A.: Abenteuer des frommen Helden Aeneas,
(Erstausgabe: Wien 1784); 1789, © akg-images
»Da sitzt sie schon, die arme Frau/Und liest in Werthers Leiden.« Ein solches Bild, wie Daniel Chodowiecki es 1789 in dieser Radierung einfängt, könnte auch die junge Ehefrau Caroline Böhmer abgegeben haben, als sie gelangweilt auf dem heimischen Sofa die belletristischen Neuerscheinungen verschlang. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts erfreuten sich Darstellungen müßiger Frauen, die zum Vergnügen lasen, zunehmender Beliebtheit. Selten waren die Gemälde und Graphiken jedoch frei von moralisierenden Untertönen. Auch diese Werther -Leserin hinterlässt, verst ärkt durch den Zweizeiler der Unterschrift, beim Betrachter den Eindruck, als sollte ihre Lektüre nicht frei von fatalen Folgen sein.
Zu Carolines Favoriten zählen ebenfalls Frauenromane, ohne dass sie überhaupt weiß, dass es sich um solche handelt. Denn die meisten von ihnen erscheinen seinerzeit unter einem männlichen Decknamen oder anonym, wie im Falle der Amtmannin von Hohenweiler, um die sie ihre Schwester kurz vor Weihnachten 1787 inständig bittet, um »die drei langweiligen Nichtstue Tage« hinzubringen. Am 27. Dezember berichtet Caroline ihrer Schwester dann, dass die Unterhaltung, die ihr die Amtmannin gewährt habe, wirklich »ein Fest« für sie war. Schade sei nur, dass sie dergleichen »immer allein verschlucken müsse«. Ihrem
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