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Frauen und Bücher: Eine Leidenschaft mit Folgen (German Edition)

Frauen und Bücher: Eine Leidenschaft mit Folgen (German Edition)

Titel: Frauen und Bücher: Eine Leidenschaft mit Folgen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Bollmann
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der beiden Schwestern oder auch durch die Privatschüler des Vaters erweitert; manchmal schlüpfte auch Jane selbst in die Rolle der Vorleserin. Sie hatten gerade den zweiten Band der Briefe aus England bekommen, in denen der romantische Dichter Robert Southey unter dem Pseudonym Don Manuel Alvarez Espriella ein Bild des Landes angeblich aus der Perspektive eines Fremden zeichnet: »Ich lese es laut bei Kerzenlicht.«
    Es gab aber auch Missgriffe. Als solcher entpuppte sich etwa Alphonsine, oder die mütterliche Zärtlichkeit der französischen Hofdame Madame de Genlis, einer Vielschreiberin, die neben pädagogischen Schriften an die hundert teilweise frivole Romane verfasst hatte. »Wir waren schon nach zwanzig Seiten angewidert«, berichtet Jane wieder ihrer Schwester. »Ungeachtet der schlechten Übersetzung enthielten sie Unappetitlichkeiten, die über eine bis dato unbescholtene Feder Schande bringen.« Vorlesestunden im Schoß einer achtbaren Familie stellten besondere Ansprüche an die Auswahl der Lektüre. Die Anwesenheit von Frauen, aber auch die jederzeit mögliche Ankunft eines Besuchers machten die penible Beachtung dessen notwendig, was man die guten Sitten nannte – insbesondere in Fragen der Erotik. Kurzerhand ersetzten die Austens »das Buch durch den Weiblichen Quichotte , der nun unser abendlicher Zeitvertreib ist«, wie Janes Bericht fortfährt, »für mich ein hochgradiges Vergnügen, da ich das Werk genau so vorfinde, wie ich es erinnere«. Obwohl bei den Austens in erster Linie Gegenwartsliteratur vorgelesen wurde, griff man schon damals unter Umständen auf bewährte »Klassiker« zurück. Das Buch mit dem vollständigen Titel Der weibliche Quichotte oder Arabellas Abenteuer war bereits 1752 erschienen; die junge Charlotte Lennox erzählt darin die Abenteuer einer leidenschaftlichen Leserin, die zu viele Fantasygeschichten liest und nun hinter jedem Gärtnerburschen einen verkleideten Prinzen vermutet, der sie entführen will – ein Motiv, das Jane Austen später in ihrem Roman Die Abtei von Northanger aufgreift.
    Gerade im Familienkreis war Wiederlesen eine gängige Praxis – lustvoll durch die Heraufbeschwörung glücklicher Momente, die beinahe kindliche Freude an der Wiederholung. Für die angehende Autorin bedeutete es darüber hinaus eine intensive Schule in Sachen Romankunst. Hierbei bildeten sich ihre Maßstäbe heraus. Die Kenntnis des Stoffes versetzte sie in die Lage, auf andere Dinge zu achten: die Sprache, den Aufbau, die Verzahnung der Handlungsstränge, die Entwicklung der Figuren, die Beziehung der geschilderten Szenen untereinander, die Dialoge, die Art, wie Pointen gesetzt werden (und gelingen oder auch misslingen), kurz auf alles, was das Handwerk des Schreibens ausmacht. Schon den zeitgenössischen Leserinnen und Lesern hat die künstlerische Gestaltungskraft von Jane Austens Romanen Bewunderung abgenötigt. Nichts ist hier dem Zufall überlassen, jede Situation verweist auf andere, keine Figur ist überflüssig, gerade auch der zeitliche Ablauf ist sorgfältig durchgearbeitet. Die Frage, ob ein Buch einer zweiten, gar einer dritten Lektüre standhält, war für Jane Austen ein entscheidendes Qualitätskriterium. Ihre eigenen Werke erfüllen es spielend.
    Jane Austen wird die Angewohnheit, Romane im geselligen Familienkreis vorzulesen, ihr Leben lang beibehalten, auch dann, als sie bereits an eigenen Werken arbeitet und diese anonym veröffentlicht. Eine Tochter ihres Bruders Edward berichtete, dass ihre Tante, wenn sie zu Besuch war, in der Regel das Manuskript jenes Romans bei sich hatte, an dem sie gerade schrieb. Mit ihren älteren Schwestern schloss sie sich in einem der Schlafzimmer ein, um es ihnen vorzulesen. »Ich und die jüngeren hörten dann schallendes Gelächter durch die Tür und empfanden es als grausam, dass wir von etwas ausgeschlossen waren, was so reizend war.« Marianne, so der Name der Nichte, erinnerte sich weiter, »wie Tante Jane immer beim Kamin in der Bibliothek saß, ruhig vor sich hin handarbeitete und eine ganze Zeitlang nichts sagte; aber dann brach sie plötzlich in Lachen aus, sprang auf und lief quer durchs Zimmer zu dem Tisch, wo Federn und Papier lagen, schrieb etwas auf und kehrte zum Kamin zurück, wo sie ruhig wie vorher weiterarbeitete.«
    George Austen besaß eine ansehnliche Bibliothek, die ständig durch Zukäufe erweitert wurde. Dabei fanden Janes Wünsche durchaus Berücksichtigung. »Wir haben Boswells Reise auf die Hebriden

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