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Frauen und Bücher: Eine Leidenschaft mit Folgen (German Edition)

Frauen und Bücher: Eine Leidenschaft mit Folgen (German Edition)

Titel: Frauen und Bücher: Eine Leidenschaft mit Folgen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Bollmann
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modernen Romans von Anfang an sowohl als Leserinnen wie auch als Autorinnen etwas zu sagen gehabt und sogar zuweilen Triumphe gefeiert, selbst wenn Literaturkritik und die bald aufkommende Philologie davon kaum Notiz nahmen. Und einer der größten dieser Triumphe verbindet sich mit dem Namen Jane Austen.
    Jane Austens Weg zur Schriftstellerin beginnt mit dem Verfassen von Lustspielen und Burlesken, die im Familienkreis aufgeführt werden. Bald knöpft sie sich auch das populäre Genre des sentimentalen Briefromans vor. Liebe und Freundschaft , ein Werk der Fünfzehnjährigen, travestiert auf bis heute äußerst komische Weise die Themen und Motive der Romane Samuel Richardsons und auch des Werthers . Vor lauter Sentimentalität fallen die Damen dort auf dem Sofa abwechselnd in Ohnmacht. In dem Komödienfragment Das Geheimnis hingegen flüstern sich die Figuren alles Wichtige nur zu – mit dem Ergebnis, dass man nie erfährt, worum es eigentlich geht.
    Im Schatten junger Mädchenblüte, der Zeit, in der ihre gleichaltrigen Cousinen und Freundinnen bei der Lektüre von sentimentalen Liebesromanen Tränen vergießen oder sich von den Schauerromanen das Gruseln lehren lassen, tut Jane das alles auch, aber sie geht zugleich darüber hinaus: Auf ihre Leseeindrücke reagiert sie mit Schreibversuchen, die eine hohe Begabung und einen untrüglichen Sinn für Komik verraten. Statt sich von ihrer Lektüre sagen zu lassen, wie ein Leben oder wie die Liebe auszusehen habe, überzieht sie das Gelesene mit Ironie und beißendem Spott. Maßstab dafür ist, was sie in ihrer familiären Umgebung als gewöhnliches, als wirklich gelebtes Leben wahrnimmt. Und da bleibt weder vom Liebesroman noch vom Schauerroman viel übrig. Jane Austen, die mit sechzehn Mary Wollstonecraft liest, entpuppt sich hierin als ihre gute Schülerin. Zwar streitet sie fortan nicht für die Unabhängigkeit der Frau in sozialer und erotischer Hinsicht, wohl aber für die Unabhängigkeit der Frau als Leserin.
    Jane Austen wird zur Romanautorin als kritische, mit einem herausragenden Sinn für Komik begabte Leserin der Romane ihrer Zeit. Selten ist der Übergang von einer Leserin zu einer Autorin so kontinuierlich verlaufen und gleichzeitig durch einen so starken Bruch hindurchgegangen wie in ihrem Fall. Einerseits stellt sich der Wechsel vom Lesen zum Schreiben bei Jane Austen unversehens und fast zwangsläufig ein. Der Familienkreis, dem sie ihre immense Belesenheit verdankt, wird nun ihr erstes Publikum und bleibt der Maßstab für die gute Gesellschaft, für die sie in ihren Romanen streitet. Andererseits rechnet sie als junge Frau mit der Literatur ihrer Zeit – von wenigen Ausnahmen, etwa Camilla , abgesehen –beinahe gnadenlos ab, macht Tabula rasa, um dann in einem zweiten Schritt etwas Besseres zu entwickeln, den Roman für die Belange der Leserinnen neu zu erfinden.
    Nachdem Jane Austen lange Jahre mit dem Genre des Briefromans herumexperimentiert hat, ohne dass sie mit den Ergebnissen zufrieden ist, überarbeitet sie die liegen gebliebenen Werke vollständig und verstrickt ihre Figuren nun in lebhafte, so spritzige wie witzige Dialoge, statt sie wie bislang aus der Ferne Briefe miteinander wechseln zu lassen. Zugleich entwickelt sie das später dann von Gustave Flaubert zur Meisterschaft gebrachte Stilmittel der erlebten Rede, das ihre weiblichen Figuren in einem anhaltenden Gespräch mit sich selbst zeigt. Das war der entscheidende Schritt: Jane Austens Romane kennen zwar eine mehr oder minder allwissende Erzählerin; deren jeweiliger Kenntnisstand beschränkt sich jedoch stets auf den der Heldin. Aus der Perspektive ihrer Beobachtungen und Gedanken betrachten die Leserinnen und Leser die geschilderten Ereignisse, ihr folgen sie zu den verschiedenen Schauplätzen, an ihrem Innenleben nehmen sie Anteil: Was die anderen beteiligten Figuren empfinden und denken, erfahren sie beinahe ausschließlich aus ihren Worten. Daher rührt die eigentümliche Spannung der Romane Jane Austens. Obwohl sich ihr Inhalt, mit dem Titel einer Kafka-Erzählung gesprochen, oftmals auf Hochzeitsvorbereitungen auf dem Lande beschränkt, schafft die Identifikation von Leser und Heldin eine starke emotionale Bindung, sodass wir auch bei Kleinigkeiten mit Elizabeth Bennet, Fanny Price, Emma Woodhouse, Catherine Morland oder Anne Elliott mitfiebern. Denn wir sind es in gewisser Weise selbst, die hier agieren und reagieren, lieben und leiden. Jane Austens Romane sind Lehrstücke

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