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Frauen und Bücher: Eine Leidenschaft mit Folgen (German Edition)

Frauen und Bücher: Eine Leidenschaft mit Folgen (German Edition)

Titel: Frauen und Bücher: Eine Leidenschaft mit Folgen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Bollmann
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gekauft und werden auch sein Das Leben des Dr. Samuel Johnson bekommen«, schreibt die Dreiundzwanzigjährige 1798 an ihre Schwester Cassandra. Und da beim Buchhändler in Winchester noch etwas Geld liege, wollten sie auch noch die Werke des Dichters William Cowper anschaffen. Unter der Gegenwartsliteratur hatte es den Austens vor allem der Roman angetan. Anders als die meisten Zeitgenossen, die mit Verachtung auf die verhältnismäßig junge Gattung herabsahen und von dem Schund der Leihbibliotheken sprachen, die die Gemüter der Heranwachsenden verdarben, waren sie, wie Jane selbst sagte, »große Romanleser und schämten sich nicht dafür«.
    Sogar vor Schauerromanen machte ihre Leselust nicht halt. Der Vater selbst entlieh 1798 aus der örtlichen Leihbibliothek The Midnight Bell ( Die Mitternachtsglocke ) von Francis Lathom, »A German Story«, wie der Untertitel versprach, was seinerzeit auf eine besonders hohe Gruselintensität schließen ließ. Die englischen Zeitgenossen um 1800 betrachteten die Schauerromantik insgesamt als eine typisch deutsche Erscheinung, während umgekehrt die Deutschen sie für ein besonders englisches Phänomen hielten. Die Gothic Novel, der Schauerroman, hatte 1764 mit Das Schloss von Otranto von Horace Walpole begonnen. Alle Ingredienzien waren hier bereits versammelt – mysteriöse Manuskripte, Ahnengalerien, Eindringlinge, verfolgte Heldinnen, edle Landleute, Eremiten, Mönche, Burgruinen. Walpoles Nachfolger bauten darauf auf; schon bald übertrafen ihre Produkte den Briefroman und den sentimentalen Roman an Popularität. Die Austens waren fleißige Konsumenten der Horror-Schocker der Minerva Press, deren Verleger Allen Lane nebenbei eine Kette von Leihbüchereien betrieb. Auf diesem Weg konnte er seine Kunden mit den grellen und sehr beliebten Produktionen seines Hauses versorgen. Bei einem ihrer längeren Besuche in London, wo ihr Bankier-Bruder Henry lebte, dürfte Jane Austen auch bei der Minerva-Bücherei auf der Leadenhall Street vorbeigeschaut und dort in dem üppigen Sortiment von Schauer- und anderer Unterhaltungsliteratur geschmökert haben. In anderen Fällen stammte der Lektürenachschub vom örtlichen Lieferanten von Minerva-Romanen.
    Frauen waren nicht nur unter den Lesern, sondern auch den Autoren der Schauerromane reichlich vertreten. Das von den Männern als »sanft« apostrophierte Geschlecht entpuppte sich dabei als nicht sonderlich zimperlich. Eliza Parsons etwa schildert in The Castle of Wolfenbach , wie die Heldin von einem bösartigen Grafen dazu gezwungen wird, mit anzusehen, wie ihr Liebhaber zu Tode gefoltert wird. Anschließend wird sie zusammen mit dessen Leichnam, dem der Kopf abgeschlagen ist, in einer dunklen fensterlosen Kammer eingesperrt. Einer der größten Bestseller der Gattung war Udolphos Geheimnisse von Ann Radcliffe, 1794 erschienen. Er beeindruckte Jane Austen so sehr, dass sie ihn zur Lieblingslektüre ihrer Heldin Catherine in Die Abtei von Northanger machte. Bei ihrem Besuch auf einem alten Herrensitz, besagter Abtei von Northanger, erwartet die junge Catherine auf ebenso schreckliche Familiengeheimnisse zu stoßen, wie in Udolpho geschildert: Sollte der Hausherr nicht seine Gattin ermordet oder wenigstens in einem dunklen Verlies eingekerkert haben? Austens Roman ist eine Parodie: Er verspottet die von der Gothic Novel geschürte Erwartungshaltung, die Welt stecke voller schockierender Geheimnisse und wir alle seien Opfer irgendwelcher Verschwörungen. Schon für die Zeit um 1800 galt: In der Wirklichkeit von heute sind Gespenster nie und eingekerkerte Ehefrauen höchst selten anzutreffen. Die Schrecken der modernen Zeit, so erfährt Jane Austens Heldin Catherine, sind ganz anderer Natur. Sie haben mit Geldfragen, etwa mit finanziellen Spekulationen und ökonomischem Kalkül, mit angemaßter Macht, falsch verstandener Autorität und dem Missbrauch von Vertrauen zu tun.
    Die meisten Romane, die Jane Austen im Familienkreis, zusammen mit ihrer Schwester oder alleine las, besorgte sie sich in Leihbüchereien, von denen es in England um 1790 bereits einige Hundert gab. In Deutschland und Frankreich lagen die Verhältnisse ähnlich. Entstanden war diese Einrichtung etwa zeitgleich mit dem Erscheinen von Samuel Richardsons Roman Pamela , also Mitte des 18. Jahrhunderts. Anders als die arrivierteren Lesegesellschaften, in denen Männer den Ton angaben und Frauen lediglich eine kleine Minderheit bildeten, nie mehr als vier oder fünf von

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