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Frauenbataillon

Frauenbataillon

Titel: Frauenbataillon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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ihr aus dem Wagen.
    »Du wirst staunen!« rief er freudig erregt. »Zu den Auserwählten gehörst du! Nein! Keine Fragen, Stella! Ich sage nichts. Ich führe dich hin … wir sind alle stolz darauf, es dir überreichen zu können …«
    Der Tisch sah aus wie ein Altar.
    Er war mit einem weißen Tuch bedeckt, Blumen rundherum, im Hintergrund ein Foto des Generalissimus Stalin. Auf der Decke lag ein neues Gewehr.
    Ratlos blieb Stella Antonowna vor dem feierlichen Aufbau stehen und hörte hinter sich das erwartungsvolle Räuspern des Kommandeurs. Nach der großartigen Andeutung hatte sie ebenso Großes erwartet – einen hohen Orden, eine persönliche Auszeichnung von Stalin, irgend etwas Außergewöhnliches. Und was lag da nun! Ein Gewehr! Ein neues Gewehr zwar, mit einem völlig unbekannten Zielfernrohrmodell, mit verhältnismäßig kurzem, in einen geschlitzten Holzschaft eingebauten Lauf, mit Kastenmagazin und einem Mündungsfeuerdämpfer mit zwei großen Schlitzen. Stella übersah dies alles mit einem langen Blick und schwieg. Was sollte man dazu sagen?
    »Morgen kommt Oberst Starostin von der Waffenforschungszentrale zu uns und wird mit dir sprechen«, sagte hinter ihr der Bataillonskommandeur geradezu feierlich. »Und selbst der Genosse General Kitajew hat sich angesagt, um dir zuzusehen. Ist das eine Ehre? Alle sind wir stolz auf dich!«
    Stella Antonowna nickte. »Was soll ich tun?« fragte sie.
    »Was sie tun soll?!« Der Kommandeur trat neben sie und legte den Arm um ihre Schulter. »Ganz ergriffen ist sie, unsere tapfere Genossin. Man kann das verstehen! Nun komm, nimm das Gewehr in die Hand …«
    Sie beugte sich vor, nahm das Gewehr von der weißen Tischdecke und wog es in den Händen. Es war nicht leichter als ihre alte Moisin-Nagant, aber das Gewicht war besser verteilt. Die Waffe lag sofort in der Hand, geradezu federnd. Beim Hochreißen würden dadurch Sekundenbruchteile gewonnen, eine verrückt winzige Zeitspanne, die im Ernstfall jedoch über Leben oder Tod entscheiden konnte.
    »Das ist die neue, für besondere Scharfschützen hergestellte Tokarev SVT«, sagte der Bataillonskommandeur und tat dabei so, als erkläre er ein seltenes Kunstwerk auf einer Ausstellung. »Oberst Starostin wird dir morgen alles erklären, und dann darfst du das Gewehr einschießen und behalten. Du bist die einzige im ganzen Divisionsabschnitt, die diese Tokarev besitzt. Staunen wirst du, was sie alles kann. Wie gesagt, es handelt sich um eine Spezialanfertigung!«
    Stella Antonowna nahm das neue Gewehr mit in ihr Quartier. Nach einem guten Abendessen mit den Genossen Offizieren und einer Flasche Krimwein schloß sie sich in ihr Zimmer ein und legte die Waffe auf ihr Bett. Jetzt, da sie mit dem neuen Gewehr allein war, kehrten die Gedanken zurück, die sie schon seit Tagen beherrschten.
    Vorbei ist es mit dir, du Strickmütze da drüben, dachte sie und schloß die Augen. Da stand er wieder am Donez, lachte und breitete die Arme aus. Vorbei, du Teufel! Ich habe jetzt das beste Gewehr der Welt …
    Zwei Stunden lang übte sie mit der neuen Tokarev. Sie ließ sich fallen, rollte sich über die Dielen ab, sprang in Deckungen hinter den Tisch, das Bett, die Stühle, und immer, aus allen Lagen, traf sie das angenommene Ziel, hörte im Geiste den peitschenden Knall und sah den Gegner fallen.
    Später lag sie im Bett, das Gewehr neben sich wie einen Geliebten, und schlief fest und träumte vom Fluß, an dessen Ufer sie hin und her lief und Ausschau hielt nach dem Strickmützenmann. Aber er kam nicht, sie rief sogar hinüber, immer und immer wieder … Im Traum war das Land leer, der Fluß bleiern träge, die Steppe graubraun verdorrt, der Himmel fahl und drohend. Kein Leben mehr war rings um sie herum, nur sie selbst lebte noch und rief in grenzenlose Stille und Einsamkeit hinein.
    Es war kein schöner Traum, aber sie stöhnte nicht. Im Schlaf drückte sie das Gewehr an ihre Hüfte, über dem Lauf lag ihre rechte Brust, das Zielfernrohr schmiegte sich in ihren Schoß … ihre Nerven empfanden dies als Beruhigung.
    Gegen Mittag traf in Begleitung dreier Offiziere Oberst Leonid Nikolajewitsch Starostin ein. Stella Antonowna wartete in der Kommandantur auf die Besucher. Das Gewehr lag vor ihr auf einem Tisch, jetzt mit dem Kastenmagazin geladen und schußbereit.
    Starostin, dem Stella zum erstenmal begegnete, sah sie begeistert an. Welch ein Schwänchen, dachte er. Schon das Foto, das mir General Kitajew zeigte, war beeindruckend,

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