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Frauenbataillon

Frauenbataillon

Titel: Frauenbataillon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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ziele und krümme den Finger.«
    »Darüber sollte man ein Protokoll anfertigen!« sagte Oberst Starostin beeindruckt. »Das muß man festhalten. Wir alle sind Zeugen, Genossen.«
    Wieder betrachtete er die fünf plattgedrückten Kugeln in seiner Handfläche, schüttelte den Kopf und ging zur Kommandantur.
    Am Abend kehrte Stella Antonowna zum Fluß zurück. Man empfing sie im Graben mit Blumengirlanden, Umarmungen und Küssen. Über das Telefon wußte man inzwischen längst, was beim Bataillonsstab geschehen war. Der Adjutant hatte es durchgegeben. Die Bajda bebte vor Stolz und Ergriffenheit.
    »Hast es Ihnen mal gezeigt, was, mein Töchterchen?« rief sie und preßte Stella an ihren mächtigen Busen. »Wie haben sie geglotzt … wie die Ochsen im Gewitter, ha! Da hätte ich dabei sein mögen. So ist das bei uns, hätte ich den hohen Genossen gesagt. Solche haben wir noch mehr in der Truppe. Nicht gerade wie die Stella, aber jede von uns schießt Ihnen einen Popel von der Nase!«
    Auch Sibirzew kam zum Gratulieren. Er betrachtete das neue Gewehr, wurde gelb vor Neid und blitzte Stella böse aus seinen schrägen Augen an.
    »Jetzt steht außer Zweifel, daß wir den Großen Vaterländischen Krieg gewinnen«, sagte er gehässig. »Wir werden es sehen, warten wir es nur ab! Stella wird in Berlin die Fahnen von den Stangen schießen und mit einer Kugel Hitlers Bärtchen wegrasieren …«
    Man lachte darüber, aber später sagte Ugarow leise zu Stella:
    »Ein widerlicher Mensch, dieser Bairam Wadimowitsch! Ich bin ein Patriot, ein guter Kommunist, fürwahr, ich hasse die Faschisten! Aber bei Sibirzew würde es mich freuen, wenn die da drüben sehr schnell seinen Kopf im Visier haben. Man hat mir zugetragen, wie er Soitschka nennt. Das breitbeinige Euter! Ich könnte ihn erschlagen, ihm den Kopf absäbeln!«
    In dieser Nacht träumte Stella nicht. Sie schlief wie ein übermüdetes Kind, das seine Puppe im Arm hält.
    Ihre Puppe war das neue Gewehr.
    Man konnte über Sibirzew sagen, was man wollte, man konnte ihn hassen und ihm hundert Tode wünschen, er war ein widerlicher Bursche, zugegeben – nur eins konnte man ihm nicht anhängen, und das war Feigheit!
    Nein, feige war Bairam Wadimowitsch nicht. Kein Wild schreckte ihn – und der Feind gegenüber war für ihn jetzt das Wild, das er jagen und erlegen mußte.
    Er war noch keine zwei Tage an der vordersten Linie, da merkten die Deutschen auch schon, daß sich etwas verändert hatte und daß das ruhige, besinnliche Sommerleben am schönen Donez vorüber war.
    Sibirzew erwischte zwei deutsche Pioniere, die im Fluß badeten. Gelassen wartete er ab, bis sie in der Mitte des Donez schwammen und in die Reichweite seines Gewehrs kamen. Er lag flach am Ufer unter einer Weide, hatte die schrägen Augen zu schmalen Schlitzen zusammengekniffen, atmete nur mehr verhalten und zielte ruhig.
    Der erste Schuß traf genau den Kopf. Der Deutsche gab keinen Laut von sich, keine Bewegung und sackte einfach weg wie ein Stein. Verzweifelt bemühte sich der zweite, ans deutsche Ufer zurückzukraulen, aber der Kraulschwimmstil hat die fatale Eigenschaft, daß Hinterkopf und Nacken aus dem Wasser ragen und daß der Kopf das Wasser wie ein Pflug teilt.
    Das genügte Sibirzew zu einem perfekten Genickschuß. Auch der zweite Deutsche sackte weg und trieb, während sich das Wasser um ihn herum rot färbte, dann flußabwärts. Zufrieden kehrte Bairam Wadimowitsch in die Stellung zurück, meldete sich bei Ugarow und bat darum, zwei neue Treffer in sein Schußbuch eintragen zu können.
    »Haben Sie Zeugen?« fragte Ugarow und wußte genau, daß diese Frage hundsgemein war. Welcher Scharfschütze im Einzeleinsatz hat schon Zeugen? Man vertraut seinem Ehrenwort, das genügt. Sibirzew starrte Ugarow dennoch ungläubig an und schluckte mehrmals.
    »Zeugen?« wiederholte er.
    »Kenne ich Sie so genau, Genosse?! Wenn Wanda oder Marianka kommen, Stella oder Lida oder eine andere von meinen Mädchen, gut, sofort trage ich es ein! Aber Sie sind neu, Sie gehen allein hinaus und kommen zurück und sagen so einfach daher: Bitte zwei Treffer ins Buch. Bitte bescheinigen! Und da frage ich mich natürlich …?!«
    Sibirzew holte tief Atem. »Genosse Leutnant, ich habe meine Ehre«, sagte er leise. »Eine große Ehre! Die machen Sie mir nicht kaputt …«

Ugarow spürte, daß er bis an die Grenze gegangen war. Das genügte ihm. Sibirzew verging innerlich vor Zorn – und genau dies lag in Ugarows Absicht.

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