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Frauenbataillon

Frauenbataillon

Titel: Frauenbataillon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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geschieht in einer ganz anderen Richtung. Also Obacht nach allen Seiten.
    Aber herkömmliches Denken war hier falsch, und Hesslich spürte es. Gerade weil die Erfahrung lehrte, daß ein Angriff selten an genau demselben Ort wie der vorige erfolgt – ein Dieb steigt kaum zweimal hintereinander in denselben Laden ein –, so sprach bei diesen Mädchen vieles dafür, daß sie eben doch an der alten Stelle auf eine Gelegenheit lauerten.
    Als Hesslich sagte, er wolle genau dort zum Fluß, wo die Pioniere umgekommen waren, sah Dallmann ihn verwundert an.
    »Eine gute Idee! Da haben wir heute Ruhe.«
    »Wir werden verdammt aufpassen müssen, Uwe!«
    »Dort?« Dallmann grinste breit. »Da können wir jetzt im Wasser Ringelreihen tanzen.« Er machte eine weite Armbewegung, als wolle er Land und Himmel umfangen. »Und dann die Nacht! Wo bleibt das Büchsenlicht? Die Weiber können sich auch keine Eulenaugen einbauen!«
    »Und wenn doch?«
    »Peter, werde nicht bekloppt!« Dallmann lachte laut auf. »Seitdem das blonde Häschen da drüben rumhüpft, muß man dir die Hose festnageln! Junge, die kommt nicht zu dir, um mit dir einen wegzuschieben! Wenn sie kommt, dann mußt du mit einem Loch im Kopfrechnen!«
    »Darauf warte ich!«
    »Wie bitte?«
    »Ich warte darauf, daß wir uns gegenüberstehen.«
    »Die Tigerin und der Jäger.«
    »Oder die Jägerin und der Wolf. Es kommt ganz auf den Standpunkt an. Hast du gesehen, wie sie mit der Faust gedroht hat? Das war ein Versprechen.«
    »Ein Blödsinn war das!« Dallmann griff in die Tasche, holte ein Stück Schokolade heraus und brach ein Stück ab. »Willst du auch was? Ist Schoko-Cola.«
    »Danke …«
    »'ne Pille Pervitin?«
    Hesslich sah Dallmann betroffen an. »Uwe, du schluckst Pervitin?!«
    »Das ist die vierte Nacht, in der ich kaum pennen kann. Pervitin ist besser als Streichhölzchen in den Augen.«
    »Woher hast du die Pillen?«
    »Von einem Vetter bei der Luftwaffe. Nachtjäger. Die jubeln sich so'n Körnchen rein, und die Nacht wird scharf wie Emma von der Kanalstraße. Ich hab 'ne ganze Dose davon …«
    »Und wie lange machst du das schon?«
    »Du dickes Ei!« Dallmann lehnte sich an eine Weide. Sie waren jetzt am Flußufer, aber durch ein dichtes Gebüsch gut gedeckt. »Ist das ein Verhör?«
    »So ähnlich.«
    »Dann hör zu, Apostel: Solange ich ein Scharfschützengewehr lade, so lange schlucke ich Pervitin! Jetzt fall nicht vor Entsetzen um! Ich muß das haben, Peter. Das kleine weiße Körnchen ist meine unheimlich ruhige Hand …«
    »Ohne Pervitin würdest du also zittern?«
    »So ähnlich.«
    »Dann bist du süchtig, Uwe. Du lieber Himmel …«
    »Red kein Blech!« Dallmann starrte an Hesslich vorbei in die dunkle Nacht. Das sowjetische Ufer war kaum zu sehen. Wer sollte da schießen?! »Süchtig! Ich hab mal von 'ner Sängerin gelesen, die brauchte vor jedem Auftritt einen Mann im Bett. Sonst war die Stimme weg! Wie nennste denn so was? Ist das bei mir anders?! So 'ne kleine Pille … ist schon mehr psychologisch!«
    »Wußte Major Molle davon?«
    »Eine dämlichere Frage fällt dir wohl nicht ein?! Posen war langweilig genug. Und dann noch unter Beobachtung?! Peter …« Dallmann stieß sich von der Weide ab. »Vergiß es! Hätte es dir ja gar nicht sagen brauchen, aber du bist mein einziger Freund, wirklich, mein einziger. Und nun halt die Fresse, verstanden? Gehen wir weiter?«
    Stumm näherten sie sich der Stelle, an der Sibirzew die beiden Pioniere überrascht hatte. Einige Meter vor dem Ufer verschwanden sie im Gras und krochen ans Wasser heran. Das Ufer selbst war flach und sandig, eine richtige Badebucht, ein Strand am Donez. Das hatten sicherlich auch die beiden Pioniere gedacht, als sie sich ins Wasser stürzten.
    Flach lagen Hesslich und Dallmann nebeneinander am Rande dieses lockenden Strandes. Er war nicht breit, vielleicht knapp fünf Meter. Dahinter floß das träge Wasser. Auf der dem sowjetischen Ufer näherliegenden Flußhälfte war wegen des niedrigen Wasserstandes eine langgestreckte, flache Sandbank aufgetaucht, die in der Dunkelheit wie ein gewölbter, bleicher Schildkrötenrücken aussah. Beim nächsten Regen würde sie wieder im Donez verschwinden, bei weiterer Trockenheit noch etwas mehr herauskommen. Normalerweise war sie überspült, denn nichts wuchs auf ihr, kein Halm. Es war feiner, mit Kies durchsetzter Sand, der in beständigem Wechsel abgetragen und neu angeschwemmt wurde.
    Hesslich und Dallmann beachteten die Sandbank nicht.

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