Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Frauenbataillon

Frauenbataillon

Titel: Frauenbataillon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
lockte ihn, er hatte Durst und dachte an einen saftigen Fisch.
    Ganz langsam, jede hastige Bewegung vermeidend, hob Stella ihr Gewehr. Dr. Semaschko, der hinter seinem Motorrad lag, raufte sich die weißen Haare.
    »Du siehst doch nichts …«, flüsterte er hitzig.
    »Ich sehe genug.« Stella hob das Gewehr an ihre Schulter. Der Kolben stieß in die Achselbeuge, als raste er dort ein.
    »Er ist doch viel zu weit entfernt!« raunte Semaschko. »Wie willst du denn da treffen?!«
    Sein Kopf ist dreimal dicker als ein Stahlhelm mit einer bleichen Gesichtsscheibe darunter, dachte Stella. Wiljam Matwejewitsch, halt jetzt endlich den Mund. Du hast keine Ahnung. Er ist für mich so nahe, daß ich ihn streicheln könnte.
    Ihr Finger lag auf dem Abzug, krümmte sich zum Druckpunkt. Im Fadenkreuz lag der Kopf des Bären, ein dicker, braunschwarzer Zottelpelz mit kleinen, sich nach allen Seiten drehenden Ohren. Dreh dich, Mörder, dachte Stella. Von der Seite ist es schlecht. Ich muß dir ins Auge sehen können … bei diesem Winkel jetzt schlägt dir das Geschoß in den Kopf, es wird dein Hirn zertrümmern, eine Patrone B-30 mit schwarzer Spitze ist es, ein sogenanntes ›schweres‹ Geschoß, das auch eine Panzerung durchlöchert … es wird in deinen Kopf eindringen wie in einen Schwamm … aber noch stehst du nicht richtig! Ich habe immer nur geschossen, wenn ich die Augen sah … diesen letzten, ahnungslosen Blick im Fadenkreuz meiner Waffe.
    Der Bär hob den Kopf, witterte zu Dr. Semaschko hin … für Wiljam Matwejewitsch war er nicht mehr als ein vager Fleck im Frühnebel.
    Der Schuß war trocken, nicht sehr laut. Er blieb im feuchten Wald ohne Echo und rollte nicht durch die Bäume, sondern wurde wie von Watte aufgesaugt. Semaschko zuckte zusammen, sah Stella an und bemerkte, daß sie das Gewehr wieder gesenkt hatte. Dann starrte er durch sein Zielfernrohr, musterte erfolglos den Waldrand und kam hinter seinem Motorrad hervor.
    »Nun ist er weg!« sagte er vorwurfsvoll.
    »Ja, er ist weg.«
    »Auf die Entfernung kann man nicht schießen! Aber überzeuge einer mal ein Weib! Vorbei ist die Jagd!«
    »Ja. Vorbei.«
    »Kehren wir nach Nowo Kalga zurück. Es hat keinen Sinn mehr. Der Bär kommt nicht wieder.«
    »Nein – er kommt nicht wieder …«
    Irgend etwas an Stellas Stimme irritierte Dr. Semaschko. Er blieb stehen, blickte dann hinüber zum Waldrand und raufte wieder mit beiden Händen seine Haare.
    »Komm mit«, sagte sie.
    Sie griff nach der Umhängetasche, ließ ihr Gewehr neben dem Feuer liegen und ging langsam hinüber zum Hang. Wiljam Matwejewitsch riß sein Gewehr an sich und lief ihr nach. Das ist nicht möglich, durchjagte es ihn. Völlig unmöglich ist das! Das grenzt an Zauberei. Auf diese Entfernung, bei diesem Nebel, ein Schatten nur war zu sehen … wer glaubt mir das, wenn ich es erzähle? Ich würde es selbst nicht glauben und jeden, der so etwas behauptet, einen Aufschneider nennen. Aber ich habe es ja selbst erlebt! Jetzt, vor fünf Minuten, in der Taiga nördlich von Nowo Kalga …
    Der Bär lag auf der Seite, als schliefe er. Der Tod hatte ihn so blitzschnell überrascht, daß er nicht einmal mehr einen Schmerz verspürt haben konnte, als das B-30-Geschoß sein Hirn zerriß. Semaschko beugte sich ergriffen zu ihm nieder, ergriffen vor allem von der gewaltigen Größe und Stärke des Tieres, und starrte ihm in die Augen. Aber da war nur ein einziges böse funkelndes Auge … an Stelle des linken Auges klaffte ein kreisrundes Loch, aus dem nur ein schmaler roter Blutfaden sickerte.
    Stella Antonowna beachtete Semaschko nicht, der fassungslos den Schuß und sein Opfer bestaunte. Sie setzte sich neben dem Bärenkopf ins Gras, öffnete die Tasche und holte die Flasche mit Pjotrs Blut heraus. Dann griff sie zur Schnauze des Bären, riß mit einer Kraft, die Semaschko ein weiteres Mal in Fassungslosigkeit stürzte, die Zähne auseinander, zerschlug die Flasche an den blanken Reißern und ließ Pjotrs Blut in den stinkenden Rachen laufen.
    »Mein Gott«, stammelte Dr. Semaschko und rang die Hände. »Oh, mein Gott … Wie kannst du hassen, Stellinka.«
    Am Abend zogen sie in Nowo Kalga ein. Es war eine wahre Sensation. Vorweg fuhr Dr. Semaschko auf seinem brüllenden Motorrad, dann folgte Stella auf ihrer ›Almas‹. Sie war sehr ernst, reagierte nicht auf das freundliche Zuwinken der Menschen. Hinter der Stute schleifte an einem dicken Seil der Bär, den der starke Gaul so durch die Taiga gezerrt

Weitere Kostenlose Bücher