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Frauenbataillon

Frauenbataillon

Titel: Frauenbataillon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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versickern zu lassen. Stella hatte sich vor diesem großen dunkelroten Fleck auf den Boden gesetzt und ihre Hände flach auf das verklebte Gras gelegt. Innerlich hielt sie Zwiesprache mit Pjotr. Sie wußte, daß er sie hörte. Er war um sie, war in ihrer Nähe, saß neben ihr, sie spürte es ganz deutlich und war glücklich, ja fröhlich, und glaubte plötzlich davon überzeugt, daß es gar keinen endgültigen Tod gibt, sondern nur eine Wandlung der Materie … vom greifbar Körperlichen zum spürbar Geistigen. Ewigkeit … Sie verstand jetzt diesen Begriff, als sie die Hände auf Pjotrs Blut legte und seine Nähe fühlte.
    Der Bär würde zurückkommen, soviel war ihr klar. Jedes Tier hat sein Revier, in dem es von Markierung zu Markierung herumstreift. Das Revier des Bären ist weit; es erstreckt sich über viele Werst, aber begrenzt ist es trotzdem. Und so wird er eines Tages auch an diese Stelle hier zurückkommen, an der er einen Menschen zerrissen hat. Ob er sich daran erinnern kann? Hat ein Bär ein Gedächtnis? Wie dem auch sei … er wird kommen und Stella Antonowna sehen. Er wird sie beäugen, wie sie dort am Feuer sitzt, das alte, langläufige Gewehr mit dem Zielfernrohr über den Knien … die Witwe Salnikowa, die auf ihn wartet und Rache nehmen will.
    Wird er das spüren? Wird er aus dem Dickicht hervorkommen und sich stellen? Oder wird er auch diesen Menschen belauern, ihn umschleichen, sich lautlos nähern, ihn überlisten?
    Stella wartete geduldig. Sie machte sich nicht die Mühe, durch die Taiga zu streifen, die Fährte des Bären zu suchen und ihr zu folgen. Sie hatte sich an Pjotrs Sterbeplatz eingerichtet, viel Holz für das nächtliche Feuer gesammelt, aus Lärchenstämmchen und dicken Kiefernzweigen ein Schutzdach gebaut und lebte von den Konserven, die sie im Rucksack mitgebracht hatte. Sie widerstand der Versuchung, ein Kaninchen zu schießen, das ohne Scheu über die Lichtung hinunter zum Wildbach hoppelte und sich auf einem der glatten Steine in die Sonne setzte.
    Nur Ruhe, vollkommene Ruhe, dachte sie. Jeder laute Ton kann den Bären erschrecken, wird ihn warnen und von hier vertreiben. Sie entfernte sich nur selten von ihrem Lager und ging nur hinunter zum gurgelnden Fluß, um sich dort im köstlichen, kalten Wasser zu waschen. Gegen Mittag, wenn die frühsommerliche Hitze sich unter den Bäumen staute, legte sie sich nackt in die perlende Strömung, blieb aber auch dann immer in Griffnähe des Gewehrs nahe am Ufer, so daß ein einziger Sprung genügte, um die stets entsicherte, stets schußbereite Waffe hochzureißen. Es war unmöglich, Stella Antonowna zu überraschen.
    Ihr Pferdchen ›Almas‹ ließ sie frei herumlaufen. Es war die beste Frühwarnung. Sollte der Bär sich unsichtbar nähern – das Pferd würde ihn wittern und mit zitternden Flanken zu seiner Herrin laufen.
    Am fünften Tag erschien Dr. Semaschko. Er kam auf einem Motorrad, einem fürchterlich knatternden und fauchenden Ding, das Stella schon von weitem hörte und das sie zu völlig unfraulichen Flüchen hinriß. Semaschko brach wie ein Ungewitter in die Stille ein. Er trug einen alten Jagdanzug mit Schnürstiefeln, eine Tracht, in der man vielleicht vor fünfzig Jahren in die Taiga gezogen war. Sein weißes Haar bedeckte eine blaue Strickmütze, und als er aus dem Sattel jenes brüllenden, zweirädrigen Ungetüms stieg, schwenkte er einen neuen Militärkarabiner durch die Luft.
    »Vier Tage umsonst!« sagte Stella böse, als Semaschko strahlend vor ihr stand. »Wiljam Matwejewitsch, du hast alles zerstört! Wenn er in der Nähe war, hat er sich jetzt aus dem Staub gemacht!«
    »Es war die einzige Möglichkeit, Stupka und zehn seiner Leute davon abzuhalten, heimlich in den Wald zu kommen und einen Kreis um dich zu bilden. Wirklich, das hatten sie vor. Dann haben wir diskutiert, und Stupka sagte: ›Ist im Krankenhaus viel los?‹ – ›Nein‹, antwortete ich. ›Bloß zwei Betten sind belegt.‹ – ›Mit wem?‹ fragte Stupka. Ich sagte: ›Ein Gipsbein und eine Fehlgeburt.‹ Und Stupka brüllte: ›Nein, so was! Ein Gipsbein und eine Fehlgeburt bevölkern das Krankenhaus. Man soll es nicht für möglich halten! Diese dekadente, verweichlichte Zeit! Wirf sie hinaus, Wiljam Matwejewitsch, schließ die Tür und mach ein paar Tage Urlaub im Wald.‹ Ich wehrte mich: ›Wie kann ich das, Fedja Alexandrawitsch?‹ klagte ich. ›Ein Krankenhaus und Türen zu … das geht doch nicht! Wir haben sittliche, menschliche und

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