Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Frauenbataillon

Frauenbataillon

Titel: Frauenbataillon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
hier, die Pjotr beschrieben hat.« Sie zeigte auf den Tisch und das in Pappe gebundene dicke Schriftstück. »Wir haben etwas nachzuholen …« Sie lehnte sich wieder zurück an den kalten Ofen, blickte hinüber zu Pjotrs Bild an der Wand und lächelte ihm zu. »Weißt du noch, wie die Korolenkaja mit Vor- und Vatersnamen hieß?«
    »Nicht eine Ahnung …«, sagte Dr. Semaschko dumpf. Es war ihm, als fiele er in einen tiefen, dunklen, weichen Abgrund.
    »Stella Antonowna.«
    Keiner von beiden sagte ein Wort. In der Nachbarschaft heulte kläglich ein Hund.
    Wiljam Matwejewitsch erhob sich von der Ofenbank, schlurfte mit schweren Beinen zum Tisch, nahm die Papiere an sich und setzte sich ans Fenster in die rote Abendsonne.
    Was wäre Rußland ohne Sibirien, dachte er fast ehrfürchtig. Es saugt Schicksale auf wie ein Schwamm Wasser.

2. Teil
    Aus dem Bericht des Bataillonskommandeurs Hauptmann Giovanni Langhesi an den Generalstab der italienischen 8. Armee im Raume Millerowo-Kantemirowka, im Verband der deutschen Heeresgruppe Don:
    »… ist noch zu melden, daß es viermal zu rätselhaften Überläufen vorgeschobener Posten im Feindgebiet der sowjetischen 1. Garde-Armee gekommen ist. Alle Vorfälle spielten sich im Abschnitt Tschjertkowo ab.
    Die vorgeschobenen Posten, jeweils zwei Mann, waren bei Eintreffen der Ablösung nicht mehr in ihrem Beobachtungsstand. Sie hatten nichts hinterlassen. Waffen und Munition waren mitgenommen worden. Im Gefechtsabschnitt waren keine besonderen Vorkommnisse, die Lage war ruhig, bis auf die seit Mitte Dezember 1942 spürbar verstärkte Tätigkeit von sowjetischen Einzelaktionen wie Scharfschützen, Spähtruppunternehmen und Lautsprecherpropaganda, die zum Überlaufen auffordert.
    Bei den verschwundenen Posten handelt es sich – nach Berichten der Kompaniechefs – um einwandfreie Soldaten, zum Teil mit dem Eisernen Kreuz ausgezeichnet. Auch ein Unteroffizier ist unter den vermißten Personen.
    Aus den Stellungen heraus ist nichts bemerkt worden, was auf eine gegnerische Aktion gegen die Vorposten hinweist. Es muß daher angenommen werden, daß alle acht Posten zu den Sowjets übergelaufen sind.
    Ich bitte um Weisung, welche Gegenmaßnahmen zu treffen sind. Die Moral der Truppe ist hervorragend. Um so erstaunlicher sind diese Vorfälle …«
    Der Bericht brauchte sechs Tage, bis er über die Schreibtische von Regiment und Division, jeweils mit Unterschrift versehen und als ›dringend‹ bezeichnet, beim Stab der italienischen 8. Armee eintraf. Mittlerweile waren wieder drei Posten verschwunden, was eine als ›sehr dringend‹ nachgereichte Meldung von Hauptmann Langhesi beklagte, die mit dem völlig unmilitärischen Satz endete: »Ich stehe vor einem Rätsel!«
    »Irgendwie ist der Wurm drin bei Langhesi!« sagte ein Oberst Bartollini im Generalstab und legte die Meldungen in eine rote Pappmappe. »Wie kann er von guter Moral seiner Truppe reden, wenn die Kerle reihenweise überlaufen! Diese sowjetische Lautsprecherpropaganda ist doch so lächerlich, daß kein Mensch darauf hereinfallen kann! Meine Herren, können Sie sich vorstellen, daß jemand diesen Mist glaubt? Ausgerechnet im Gebiet von Tschjertkowo und sonst nirgendwo?! Jeder von uns weiß, was er drüben als Kriegsgefangener zu erwarten hat. Der Russe macht keinen Unterschied zwischen gefangen und übergelaufen … das ist alles bloß Propaganda.«
    »Sie haben sich jetzt was anderes ausgedacht, Herr Oberst«, sagte ein junger Major, der vor neun Tagen aus Mailand gekommen war und eine Gegenpropaganda aufbauen sollte. Vor zwei Tagen hatte er die vordersten Stellungen besichtigt.
    »Und wenn schon. Lüge bleibt Lüge.«
    »Ein besonders markanter Satz lautet: ›Werft die Waffen weg! Kommt zu uns! Der Krieg ist für euch vorbei. Ihr werdet weiterleben. Tausend rote Mädchenlippen warten in Moskau auf euch …‹«
    »Das ist doch völlig idiotisch!« Der Oberst staubte mit den Händen die Vorderseite seines Uniformrockes ab, als habe ihn der Propagandaspruch verunreinigt. »Hirnverbrannt!«
    »Ich weiß, daß man heimlich darüber diskutiert. Rote Mädchenlippen … und das für einen ausgehungerten Italiener …«
    »Vinzenzo, das ist doch wohl ein dummer Witz!« Oberst Bartollini sah den jungen Major etwas verstört und ratlos an. »Die Truppe muß sich doch krummlachen über diesen sowjetischen Propagandaquatsch! In Moskau warten rote Mädchenlippen … deswegen läuft doch keiner über! Und wenn ihm beim Wort Mädchen die

Weitere Kostenlose Bücher