Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Frauenbataillon

Frauenbataillon

Titel: Frauenbataillon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
bliebe, die Stella Antonowna in unbekleidetem Zustand zu Gesicht bekamen.
    Was übrig blieb? Blieb hier noch etwas übrig? Er warf den Mullstreifen weg, schnitt aus der Pflasterplatte ein paar Stücke ab und gewann dadurch Zeit, um sich seiner totalen Ausweglosigkeit bewußt zu werden. Was soll ich mit Stella tun? Es gibt nur drei Möglichkeiten: Sie laufen lassen – das bedeutete den Tod vieler Kameraden. Sie töten – dazu bin ich nicht fähig, so wie sie vor mir sitzt mit nackten Brüsten, jung und schön, die blonden Locken zerzaust, in den blaugrünen Augen den Schimmer der violett untergehenden Sonne. Bleibt nur noch, sie mitzunehmen aufs andere Ufer des Flusses, und das ist schier unmöglich. Wir würden nie durch die sowjetischen Linien kommen, und was dann drüben mit ihr passiert, wenn ich sie als Gefangene abgeliefert habe – das habe ich ihr ja eben wahrheitsgemäß ausgemalt. Mich geht das dann zwar nichts mehr an, die Verantwortung wäre ich los, aber allein das Wissen um das, was man mit ihr anstellen würde, würde an mir zehren wie eine ewig schmerzende Narbe.
    Was tue ich mit ihr? Stella Antonowna, spring auf, greif mich an, zieh eine zweite versteckte Pistole, zwing mich, mich zu wehren, mein Gott, es muß doch etwas geschehen! Aber im gleichen Augenblick, da er so etwas dachte, wünschte er sich, sie möge nur so vor ihm sitzen bleiben und ihn anblicken.
    Verrückt war das alles, total verrückt!
    Er zog das Schutzpapier ab, beugte sich wieder vor und klebte das Pflaster auf eine Wunde neben ihrer Brust.
    »Dankä …«, sagte sie.
    »Stella …«
    »Ja?«
    »Du … mich töten?«
    »Kann nicht …«
    »Wenn ich dir dein Gewehr gebe …?« Er deutete auf ihr Gewehr, das neben ihm lag. Sie begriff es, nickte und lächelte ihn an, als sage sie etwas sehr Schönes.
    »Ja – du nicht?«
    »Nein …«
    »Warum njet?«
    »Warum?! Warum?!« Er sprang auf, schlug die Fäuste gegeneinander und lief vor ihr hin und her. Es war nun dunkel geworden, die halbe Mondscheibe leuchtete zwischen träge dahinziehenden, geballten Sommerwolken und goß ein mildes Licht über das weite Land. »Was soll ich darauf antworten? Wenn ich dich vorhin auf Schußweite gesehen hätte, gäbe es dich nicht mehr, soviel ist sicher! Ich wollte dich überhaupt nicht aus der Nähe sehen, jawohl, davor hatte ich Angst! Ich gebe es zu, ich hatte Angst, näher als dreißig Meter an dich heranzukommen. Ich hatte Angst, dich so zu sehen, wie ich dich jetzt vor mir habe, weil ich genau wußte, du schaffst es nicht, sie anzufassen und sie dann zu erschießen! Das begreifst du nicht, was? Du kannst einen Mann umarmen und ihm von hinten das Messer in die Rippen stoßen! Bist du wirklich so eine? Mit diesen Augen? Mit diesem Mund? Mit diesem Körper? Bist du wirklich eine Bestie, Stella? Wenn du nur etwas von dem verstehen könntest, was ich sage …«
    »Ich verstähe …«, sagte sie ruhig. »Du färtig mit Wundä …?«
    »Nein.«
    Er kniete wieder vor ihr, klebte ihr noch vier große Pflasterstreifen auf die Risse und Blutergüsse an Brustansatz und Schulter und zeigte auf den heruntergeschobenen BH. »Ist gut. Fertig. Zieh wieder an.«
    Sie schüttelte den Kopf, legte sich plötzlich zurück und hob die Arme wieder über ihren Kopf. »Nix färtig …« Ihre Stimme war mild und mädchenhaft, nicht mehr so schrill wie zuvor bei ihrer Aufforderung: Töte mich! »Schmärzän … Bein …«
    »Stimmt. Da habe ich ja auch hingetreten.« Er betrachtete sie mit zur Seite geneigtem Kopf und wartete. »Ist das jetzt ein Trick, Stella?« fragte er. »Wenn ich wüßte, was du jetzt denkst! Ich warne dich: Ich bin schneller und stärker als du! Und ich rechne damit, daß du mich von hinten anspringst. Vielleicht hast du recht. Vielleicht ist das die einzige Lösung zwischen uns.« Er sah sie lange an, von den schmutzigen Stiefeln bis hinauf zu den blonden Locken, und schüttelte den Kopf. »Ich kann dich nicht töten, und du Aas weißt das ganz genau …«
    Er beugte sich wieder vor, tastete ihre Hüfte und den Oberschenkel ab und meinte, daß der Uniformstoff feucht sei. Blut? Das hieße, ihr die Hose ausziehen, sie in völliger Nacktheit vor sich liegen zu haben.
    Sie schien das gleiche zu denken, rührte sich nicht und blickte ihn nur stumm an.
    Hesslich erhob sich abrupt und trat zur Seite. Ihr Kopf folgte ihm, erhob sich jedoch nicht aus dem hohen Gras.
    »Vorsicht ist die Mutter des Überlebens!« sagte Hesslich. »Auch so ein weiser Spruch

Weitere Kostenlose Bücher