Frauenbataillon
Schulter und damit auf den Oberarm der Hand, die das Gewehr hielt. Sofort war der Arm taub, die Finger fühlten nichts mehr, das Gewehr glitt aus der Hand und fiel ins Gras. Blitzschnell bückte sich Stella Antonowna, um mit der anderen Hand die Waffe hochzureißen. In diesem Moment trat Hesslich ihr in die Hüfte, sie stürzte auf die Knie, ließ sich fallen, rollte sich weg und versuchte dabei, noch einmal das Gewehr an sich zu reißen. Wieder trat Hesslich zu, dieses Mal gegen ihre Schulter. Die harten Stiefeltritte rissen ihre Bluse auf und verletzten die Haut. Stella stieß einen dumpfen Laut aus, krümmte sich, schnellte zur Seite und riß gleichzeitig eine kleine Pistole, die zierliche Tokarev TK, wie sie von Stabsoffizieren und beim KGB getragen wurde, aus dem Gürtel ihrer weiten, erdbraunen Hose. Aber da war Hesslich schon über ihr, schlug ihr die Waffe aus der Hand und drückte sie wieder zu Boden.
Erneut griffen ihre Hände nun nach seinem Hals, versuchten die Finger sein Gesicht zu zerkrallen … Er faßte ihre Arme und preßte sie ins Gras. Mit seinem ganzen Körpergewicht lag er nun auf ihr. Noch ein paarmal versuchte sie, mit den Beinen nach ihm zu treten und sich unter ihm hervorzuwinden, verkrampfte dann aber, und alles war vergeblich. Sie zitterte vor Wut, ballte die Fäuste und konnte jetzt nur noch mit dem Kopf nach ihm stoßen, doch wich er auch diesen letzten Schlägen aus, indem er seinen Kopf in den Nacken legte.
Die ganze Zeit hatten sie kein Wort gesprochen; es war ein stummer Kampf gewesen, der nun in einem heißen Keuchen endete. Sie hatte die Augen geschlossen, ihre Nasenflügel bebten. So fest biß sie die Zähne zusammen, daß sie den schmerzhaften Druck bis in ihre Kiefergelenke spürte.
Da ist er … ich fühle ihn … ich rieche ihn … sein Leib liegt auf mir, als sei er mein Geliebter … die Mütze hat er auf, diese schreckliche, lächerliche Todesmütze! Du Gott da oben, es gibt dich nicht … du hast ihn mir gebracht, ja, aber du hast ihn siegen lassen!
Sie hörte auf, mit dem Kopf nach ihm zu stoßen, ihre Muskeln erschlafften etwas, die Fäuste entkrampften sich. Ganz langsam hob sie die Lider und sah ihren Gegner an. Da lag er über ihr, den Kopf hochgereckt, das Gesicht erdbraun eingerieben, über den Haaren die fürchterliche Mütze. Aber das Schrecklichste war das Abendrot, das seinen Kopf wie mit einem blutigen Schein umgab. Es war ihr, als schwimme dieser Schädel in Blut, das vom Himmel fällt und alle Welt ertränkt.
»Pjoß!« sagte sie schwer atmend und heiser vor Ekel. »Pjoß!« Und dann auf deutsch, hart und haßerfüllt: »Tott allen Faschistän …«
»Oha! Du kannst deutsch?« Hesslich beugte sich etwas tiefer. Er zuckte nicht zurück, als sie ihm ins Gesicht spuckte und dabei die Augen weit aufriß. Welche Augen, dachte er nur. Mein Gott, welche Augen! Blaugrün, und das Abendrot weht wie ein roter Schleier darüber hinweg.
»Ja …«
»Was ja?« fragte Hesslich und riß sich von ihrem Blick los.
»Isch Deutsch kann … bißchän … Tötte mich …«
»Warum?«
»Du Teufell …«
»Da sind wir uns einig. Auch du bist ein Satan! Bleibst du still liegen?«
»Was?!«
»Du … ganz ruhig bleiben …«
»Njet …«
»Nun sei vernünftig, Mädchen. Ich kann doch nicht auf dir liegen bleiben, bis der Krieg zu Ende ist!« Er starrte sie an, hätte gern ihre Arme freigegeben und ihr das blonde Haar aus dem Gesicht gestrichen. Aber er wagte es nicht, weil er ahnte, daß ihre Finger sofort wieder in sein Gesicht schnellen würden. »Du hast meinen besten Freund getötet, weißt du das?«
»Getöttet … Du mich … Bittä …«
Sie schloß die Augen, und er spürte, wie sich ihr Körper unter ihm nahezu völlig entspannte. Du lieber Himmel, sie können sterben wie andere ein Butterbrot kauen. Es ist nun einmal so, also sterben wir, wozu jammern, betteln, zittern, weinen, schreien? Da liegt sie nun und wartet darauf, daß ich sie umbringe.
»Du hast meinen Freund getötet«, sagte er noch einmal. »Moj drug …«
»Ja!« Sie öffnete die Augen wieder, und nun schimmerten sie durch die Spiegelung des Himmels violett. »Du läbst! Warum?«
»Über diese Frage sollten wir uns etwas länger unterhalten.« Er ließ sie plötzlich los, gab ihre Arme frei und sprang auf, so daß er nicht mehr in ihrer Reichweite war. Gleichzeitig riß er sein Messer aus dem Koppel und streckte es ihr entgegen.
Sie blieb liegen, die Arme über dem Kopf im Gras, die Beine
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