Frauenbataillon
brauche ich das?« hatte er gesagt. »Ich werde nie verwundet sein, immer nur tot! Wo ich hinkomme, gibt es keine Verwundeten, weder hüben noch drüben …« Jetzt war er froh, daß Ursbach ihm die paar Verbandspäckchen geradezu aufgedrängt hatte. Die Tabletten waren gut gegen die Schmerzen – starker Tobak, wie Ursbach gesagt hatte. Ein Betäubungshammer. So stark, daß das Schmerzzentrum im Gehirn fast paralysiert werden würde.
»Du … hälfänn?« fragte Stella Antonowna völlig entgeistert. »Du mich hälfänn?«
»Mir!« Hesslich lächelte ihr zu. »Woher kannst du Deutsch?«
»Schullä … vier Jahre …« Sie lächelte kurz zurück. »Nix gutte Schüllär … guttes Schießänn …«
»Genau das ist es, was uns jetzt das Genick bricht. Was mach ich bloß mit dir? Ich kann dich doch nicht mitschleifen, mitten durch eure Linien hindurch und über den Donez … Und dich einfach laufen lassen? Stella, wie viele von uns hast du schon umgebracht? Und wie viele wirst du dann noch umbringen? Ich weiß, ich weiß, es ist Krieg, das Töten wird belohnt, wer nicht tötet, ist ein Feigling und wird selbst getötet, manchmal sogar von den eigenen Kameraden, so wahnsinnig sind die Menschen … Das ist doch das, was du denkst, nicht wahr, wenn du mich so mit deinen blaugrünen Augen anblickst? Mit diesen wundervollen klaren Augen, die so gut zielen können! Da sitzt er nun, der Deutsche. Wie viele von uns hat er getötet? Was steht in seinem Trefferbuch? Er wird weiterleben, wenn er mich getötet hat, und er wird noch viele Rotarmisten erschießen. Verdammt sei er! Verflucht! Ich kann es dir gar nicht übelnehmen, daß du so denkst, Stella! Nun sag mir mal, was mache ich mit dir?! Ich kann dir doch nicht einfach eine Kugel in den Kopf schießen wie einem wehrlosen Schaf! So was machen nur die Einsatztruppen hinter unseren Stellungen, die Leute vom SD. Weißt du, was sie mit dir tun würden? Sie würden dich grün und blau schlagen, sie würden dich mit bestialischen Methoden verhören, und dann hängen sie dich auf oder knallen dich ab. Bis jetzt hat noch kein Flintenweib, wie sie euch nennen, das SD-Verhör überlebt. Es gibt da sogar einen besonderen Befehl, weißt du? – Stella, wie soll das mit uns weitergehen?«
Sie starrte ihn an, hatte nur ein paar Worte verstanden und wartete ab, was nach den vielen Worten kommen sollte. Die lange Rede mußte eine Bedeutung haben – ohne Grund spricht man nicht soviel.
»Wenn du jetzt wieder um dich schlägst, wenn ich dich verbinde«, sagte Hesslich eindringlich, »knalle ich dir eine, sozusagen als Narkose. Ist das klar? Ich dir helfen, Koroscho?«
Stella nickte, warf den Kopf zurück in den Nacken und schloß die Augen. Als seine Hand sie berührte und die Bluse abstreifte, begann sie innerlich zu beben, und ihre Muskeln versteiften sich. Er rollte ein Verbandspäckchen auf, schnitt einen Streifen Mull ab und betupfte damit die aufgeplatzte Haut. Da er kein Wasser hatte, befeuchtete er die Mullbinde mit Spucke und rieb dann vorsichtig das Blut ab. Sie öffnete die Augen einen Spalt und sah ihm zu, betrachtete seine Haare, seine Stirn, seine Augenpartie, seine Nase, seinen Mund, sein Kinn, seinen Hals und wußte keine Erklärung dafür, daß sie sich plötzlich geborgen fühlte, daß sie nicht mehr an den Tod dachte und jetzt nicht mehr bereit war, durch diese Hand, die das Blut von ihrer Brust tupfte, zu sterben.
»So geht das nicht«, sagte Hesslich, und seine Stimme klang plötzlich belegt, längst nicht mehr so klar wie vorher. »Der BH ist im Weg. Du mußt den BH ausziehen …« Er tippte auf den Halter, der ihre runde Brust einschnürte, und blickte sie dabei verlegen an. »Muß weg …« Er machte eine entsprechende Handbewegung. »Verstehst du … weg …«
»Ja …«
Sie schob den anderen Träger herunter und zog den BH bis zur Taille. Hesslich biß die Zähne zusammen, spuckte wieder auf seinen Mullstreifen und rieb das Blut von ihrer Brust. Als er dabei versehentlich ihre Brustwarze berührte, zuckte sie wie unter einem elektrischen Schlag zusammen.
»Prostite … Verzeihung!« sagte er stockend.
Sie lächelte dünn und schüttelte den Kopf. »Muß sein …«
Hesslich merkte bald, daß die von seinen Fußtritten herrührenden Verletzungen nicht so schlimm waren, wie er gedacht hatte. Ein paar Pflaster genügten. Die Rißwunden würden bald heilen. Vielleicht würden ein paar dünne, helle Narben übrigbleiben, deren Anblick aber nur denen vorbehalten
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