Frauenbataillon
Absteigen zu zwingen. Das Hinterrad wurde erobert, um die Lenkstange wird noch erbittert gekämpft …« Vinzenzo winkte ab, als die deutschen Offiziere halbherzig protestieren wollten. »Im Gegensatz zu Oberst Bartollini habe ich bei dem Verschwinden unserer Posten ein merkwürdiges Gefühl. Warum immer die vorgeschobenen Beobachtungen?«
»Sie haben den kürzesten Weg zur angeblichen Freiheit«, sagte einer der deutschen Offiziere nüchtern. »Ist doch klar … und außerdem sind sie in der Nacht allein. Keiner sieht sie, wenn sie zum Iwan kriechen. Es war doch immer nachts, nicht wahr?«
»Ja.«
»Da gibt's doch keine Fragen.«
»Für mich doch.« Major Vinzenzo wartete, bis die Ordonnanz die Kognakgläser wieder gefüllt hatte. Sie saßen im Wohnsaal eines Gutshauses bei Starobelsk, vier eiserne Kanonenöfen bullerten vor Hitze, es roch nach feuchtem Holz und nassen, auslüftenden Pelzen. »Ich gehe morgen nach vorn und sehe mir den Abschnitt genau an.«
»Und was hoffen Sie, zu sehen?« Einer der deutschen Offiziere lächelte mokant. Warum müssen sie aus allem eine Oper machen, die Italiener, las man in seinem Blick. Da laufen ein paar kriegsmüde und feige Kerle über … na und? Spätestens, wenn die Iwans ihnen die Uhren vom Handgelenk reißen und sie von oben bis unten filzen, werden sie merken, was für Idioten sie sind … Wozu darüber noch viele Worte verlieren?
»Irgend etwas muß die Männer blöd machen!«
»Sie meinen, das geht bei diesem Hauptmann Langhesi immer so weiter?«
»Gestern ist der Feldwebel Pietro Lucca verschwunden. Lucca hat das EK I.«
»Es haben schon Ritterkreuzträger in die Hose geschissen!« Oberstleutnant v. Rahden, einer der deutschen Gäste, drückte seine Zigarette in dem gläsernen Aschenbecher neben sich auf dem Tisch aus. »Ich gebe zu, es ist merkwürdig, daß gerade in diesem Abschnitt sich die Überläufer häufen. In anderen Abschnitten nicht?«
»Nein! Kein einziger Fall von Desertation! Nur im Gebiet von Tschjertkowo.«
»Da stimmt doch wirklich was nicht!« v. Rahden sah seine beiden vor ihm sitzenden Kameraden betroffen an. Es waren die Majore im Generalstab Heinrich Schlimbach und Peter Halberbaum, erfahrene Truppenoffiziere mit EK, Nahkampfspange, Verwundetenabzeichen, ›Gefrierfleischorden‹ und dem Deutschen Kreuz in Gold. »Wie ist das? Wollen wir unseren italienischen Kameraden morgen begleiten?«
Die Herren zögerten. Ihre Anweisung lautete, mit den Offizieren der italienischen 8. Armee ein taktisches Konzept gegen die russische Offensive durchzusprechen, aber nicht, aus purer Neugier in die Hauptkampflinie zu gehen, um dort kriegsmüde Italiener in Augenschein zu nehmen. Es wäre zudem außerhalb aller Ordnung gewesen. Ein Soldat kann sich nicht – auch im Kriege nicht – einfach an die Front begeben, wann er will. Jede militärische Handlung setzt einen Befehl voraus. Jede Aktion beschäftigt eine Reihe von zuständigen Dienststellen. Oberstleutnant v. Rahden wischte die Bedenken mit einer weitausholenden Handbewegung beiseite.
»Wenn das chronische Überlaufen so außergewöhnlich ist, dann interessiert es auch die Heeresgruppe. Immerhin ist es unsere rechte Flanke, die – ohne daß wir es wissen – vielleicht butterweich ist! Wenn diese Sehnsucht nach Sibirien um sich greift – na, dann heb auch du den Rock, Oma –, dann ist der Fall hochbrisant, und man wird uns dankbar sein, daß wir uns impulsiv darum gekümmert haben!« Er blickte Vinzenzo mit hellen Augen an. »Wann gehen Sie hinaus, Herr Major?«
»Morgen früh bis zum Regiment … beim Abenddämmern zur HKL. Die Stellung ist von den Sowjets einsehbar … Steppe, flach wie ein rasierter Bauch …«
»Das heißt, mit kleinen Wellen.«
»So ist es.«
»Eine Scheißstellung!«
»Es gibt nichts anderes. Das Gelände ist überall gleich. Wir trösten uns damit, daß wir auch den Iwan einsehen können. Der ganze Publikumsverkehr kann nur nachts stattfinden. Und da ist ganz schön was los! Die Sowjets bringen Verpflegung, Munition und Verstärkung mit Motorschlitten heran …«
»Und da hält keiner mit ein paar Batterien Artillerie dazwischen?«
»Befehl Nummer eins: Munition sparen! Wir werden bald jeden Schuß gebrauchen können. Die erfreuliche Botschaft haben Sie ja mitgebracht. Der große Wintersturm steht kurz bevor.«
»Wir begleiten Sie, Major Vinzenzo«, sagte v. Rahden tatendurstig. »Sind wir übermorgen wieder zurück?«
»In der Nacht darauf? Ja. Sie werden
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