Frauenbataillon
die Bewegungen am Fluß. Die Tiger und Panther schossen jetzt in diese Stellungen, während der dicke Ferdinand nach wie vor die T 34 in Panik versetzte. Auch die Flak ballerte jetzt los und schoß direkt auf kritische Punkte. Eine Granate traf ein Loch. Hesslich sah, wie die beiden Mädchen in der Detonation zerrissen und ihre Gliedmaßen mit der Erdfontäne hochgeschleudert wurden.
Stella, wo bist du jetzt, dachte er und schluckte krampfhaft. Warst du das da drüben? Mit zitternden Fingern trocknete er sein Gewehrschloß, wechselte das nasse Magazin aus und hoffte, daß sein Gewehr jetzt keine Ladehemmung haben würde. Dann tastete er mit dem Zielfernrohr das Gelände ab und blieb bei einer Senke hängen, in der sich fünf Gestalten duckten. Eine blickte zufällig in seine Richtung. Er sah ein breitknochiges, ernstes Gesicht mit etwas schräg gestellten Augen und dichten schwarzen Augenbrauen. Der Mund schrie etwas, die vollen Lippen wölbten sich vor. Hesslich hielt den Atem an und zog langsam den Zeigefinger durch.
Wie von einer unsichtbaren Faust wurde die Bajda nach hinten geschleudert. Unter dem Haaransatz klaffte plötzlich ein Loch, aus dem wie aus einer Fontäne Blut sprudelte.
Ugarow warf sich mit einem wilden, verzweifelten Schrei auf sie, umarmte sie und drückte ihren blutenden Kopf an sich.
»Soitschka!« schrie er und seine Stimme überschlug sich. »Soitschka.« Und dann heulte er wie ein Wolf: »Nein … o nein … neiiiiin …«
Ugarow riß seinen Rock auf, zerfetzte sein Hemd und drückte es auf den Kopf der Toten. Er schien noch gar nicht zu begreifen, daß sie nicht mehr lebte, daß es eine Leiche war, die er an sich preßte. Immer wieder schrie er ihren Namen, küßte ihr blutiges Gesicht, schüttelte sie, als könne sie davon erwachen, ihn anlachen und mit ihrer tiefen Stimme sagen: »Mein Kleiner, es ist ja nichts. Nur ein Kratzerchen! Reg dich nicht auf, mein Liebling! Wo ist mein Gewehr? Wo ist der räudige Hund, der auf mich geschossen hat?! Sieh nur, wie gut es mir geht …« Ihre schwarzen Augen würden funkeln, ihre vollen Lippen sich vorwölben … Und Ugarow dachte daran, wie diese Lippen seinen Körper liebkost hatten und wie er jedesmal vergangen war vor kribbelnder Wonne.
Er legte sie auf die Erde, schob sein Hemd wieder über ihr Gesicht und stierte mit irrem Blick. Ein Mädchen hetzte hinüber zu Stellas Gruppe und warf sich neben ihr in den Trichter.
»Soja ist tot!« schrie das Mädchen, und Tränen flossen über ihr verschwitztes Gesicht. »Eben gerade. Neben mir. Kopfschuß! Die Faschisten sind über den Fluß gekommen … Soja ist gefallen …«
Sie duckte sich, weil die deutschen Tiger wieder direkt auf den sowjetischen Brückenkopf hielten und überall um sie herum Granaten krepierten. Von hinten rollten jetzt mit großer Geschwindigkeit drei T 34 heran und wirbelten Staubnebel auf. Sie begannen, die deutschen Panzer unter Beschuß zu nehmen. Auf dem anderen Ufer rollte behäbig der dicke Ferdinand herum. Er war so gut wie unbesiegbar, es sei denn, eine Granate vom Kaliber 10,5 träfe voll in den breiten, schwer gepanzerten Turm. Die neue Zieloptik verlieh seinen Schüssen eine nahezu perfekte Präzision. Die sowjetischen Panzer, die jetzt vorpreschten, um das Frauenbataillon zu unterstützen, fuhren in einen ungleichen Kampf.
Langsam begriff Ugarow, daß Soja Valentinowna getötet worden war. Da er sich nicht erklären konnte, woher der Schuß gekommen war, entfernte er sich kriechend von der Leiche, blickte suchend um sich, sah aber nichts anderes als aufspritzende Erdfontänen, feuernde Granatwerfer und ein paar Gestalten, die durchs Gelände hetzten, um neue Stellungen zu besetzen.
Um so klarer sah Hesslich jetzt den jungen sowjetischen Leutnant in seinem Zielfernrohr. Er lag noch immer gut geschützt im dichten Ufergebüsch und betrachtete zwei Sekunden lang Ugarows Gesicht, das ihm zugewandt war. Die Überlebenden der 4. Kompanie drückten sich derweilen in den toten Winkel des flachen Uferhanges und warteten darauf, daß Flak und Tiger die sowjetischen Stellungen erledigten. Bauer III, durch die schweren Verluste beim Durchwaten des Flusses gewarnt, wagte vorerst keinen neuen Sturm – diese verdammten Weiber würden jeden abschießen, der auch nur den Kopf über die Böschung hob.
Meine schöne 4. Kompanie, dachte er wieder, und es fiel ihm schwer, das Schluchzen zu unterdrücken. Was ist von ihr übriggeblieben. Wahrscheinlich nicht einmal eine
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