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Frauenbataillon

Frauenbataillon

Titel: Frauenbataillon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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sich, kroch über den Boden, dehnte sich mehr und mehr aus und baute eine undurchsichtige, wogende Wand auf.
    Das Signal war gegeben. An neun Stellen der Abteilung Bajda zerplatzten weitere Nebelgranaten und verwandelten das Flußufer, die Steppe, das Hügelgelände und Gebüsch in eine einzige weiße, breiige Masse. Es gab kein Ziel mehr, kein Erkennen. Nach allen Seiten zog dichter, träger Nebel.
    Die Pioniere rasten mit ihrem Sturmboot zum Fluß; der Nebel schützte auch sie. Leutnant Bauer III zögerte noch immer. Das kann ein übler Trick sein, dachte er. Sie nebeln sich ein, wir fallen darauf rein, kommen hoch, und – peng – haben sie uns.
    In kleinen Gruppen verließen die Mädchen ihre Stellungen und setzten sich ab. Sie nahmen mit, was sie schleppen konnten, Waffen und Verwundete. Stella, Sibirzew und vier Mädchen rannten im Schutz des Nebels zu dem Loch, in dem Soja Valentinowna und Ugarow lagen, noch im Tod in inniger Umarmung.
    »Wir können sie nicht mitnehmen!« schrie Sibirzew. »Irrsinn ist das! Zwei Tote, nur weil sie Bajda und Ugarow heißen! Weiter, Stella Antonowna …«
    »Ich soll sie hier liegen lassen?!« schrie Stella zurück.
    »Und die anderen? Sind die zwei mehr wert als die anderen, he?! Keiner wird dir das danken!«
    »Ich mir selbst!«
    »Dafür kannst du dir nichts kaufen!« Er gab Stella einen Stoß und rannte weiter, hinein in den wallenden Nebel, zurück in die Sicherheit. Die beiden T 34 warteten, um die Überlebenden aufsitzen zu lassen.
    Aus dem Nebel tauchte Marianka Stepanowna Dudowskaja auf, das braunlockige fröhliche Mädchen, das einmal Bäckerin gelernt und schon mit siebzehn in drei Monaten ein Halbjahressoll in die Backöfen geschoben hatte. Sie hatte ihre Mütze verloren und hinkte etwas, weil sie sich beim Laufen den linken Fuß vertreten hatte. Mit Tränen in den Augen blieb sie neben Stella stehen und blickte auf die tote Bajda.
    »Wir müssen sie hier lassen«, sagte Stella hart. »Aber ich habe mir gemerkt, wo sie liegt. Nach dem Krieg wird man ihr hier ein Denkmal setzen. Dafür werde ich sorgen! Weiter …«
    Die Mädchen rannten, vornübergebeugt, davon, den wartenden Panzern entgegen. Marianka und Stella und noch ein drittes Mädchen wandten sich dem T 34 an der linken Flanke zu. Sie liefen Peter Hesslich direkt entgegen.
    Hesslich hatte bei den ersten Nebelgranaten seinen Standort gewechselt. Da dicke Schwaden ihm im Gebüsch die Sicht nahmen, wagte er es, das schützende Geäst zu verlassen und sich vor die Gruppe zu stellen. Hier wollte er warten, bis entweder vom Ufer her die Männer der 4. Kompanie erschienen oder zurücklaufende Mädchen seinen Weg kreuzten. Und da kamen sie auch schon schemenhaft durch den Nebel – drei huschende Gestalten, die Gewehre auf den Rücken, in den Händen Munitionskästen. Sie rannten hintereinander an ihm vorbei, von links nach rechts, genau wie in Posen auf dem Schießstand die Pappfiguren bei den einfachen Übungen.
    Hesslich schoß. Marianka Stepanowna machte einen Satz nach vorn und fiel dann auf das Gesicht. Das Mädchen hinter ihr hetzte weiter, die dritte jedoch blieb stehen, bückte sich, drehte Marianka um und betrachtete den Einschuß in der Stirn.
    Hesslich durchfuhr es wie ein Schlag. Obwohl in den Nebelschwaden nur die vagen Umrisse eines Menschen zu erkennen waren, welche sich allein im Zielfernrohr zu einer konkreten Gestalt formten, wußte er, daß die Frau dort drüben sich umblickte und wartete. Er war nicht fähig, das Gewehr zu heben, konnte nicht einmal durch das Zielfernrohr ihren Kopf in Augenschein nehmen. Er war überhaupt zu keiner Bewegung mehr fähig, stand da ohne Kraft und Willen und dachte nur immer: Lauf, lauf doch, bitte, bitte lauf weg … Worauf wartest du noch? Gleich sind sie da – Pioniere mit Flammenwerfern, das ist die scheußlichste Art zu sterben – im flammenden Öl schmilzt der Mensch dahin … So lauf doch, du dämliches Heldenluder, lauf, lauf … Gott, sag ihr, daß sie laufen soll …
    Stella Antonowna richtete sich langsam auf. Sie sah sich um, stand noch immer neben der Leiche, drehte sich nach allen Seiten um und wartete.
    Du bist hier, dachte sie. Das ist dein Schuß. Kein anderer kann in dieser Lage so treffen. Ich weiß, daß alle unsere Toten vorhin auf dein Konto kommen. Wo bist du? Warum zögerst du? Es ist doch Krieg, Pjotr. Ich bin dein Feind, genauso wie Marianka, wie Soja, wie Ugarow deine Feinde waren. Sieh doch, ich warte darauf – bin ich nicht ein

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