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Frauenbataillon

Frauenbataillon

Titel: Frauenbataillon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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von den Deutschen so ersehnten Ziel Prochorowka. Umgeben von Flak und Pak hatte sie sich am Ufer des Flüßchens eingegraben. Im Kusselgelände warteten eine Panzerabteilung und Raupengeschütze.
    Soja Valentinowna ging mit finsterem Gesicht herum und war sehr wortkarg. Sie hatte an diesem einen Tag dreiunddreißig Mädchen verloren, darunter neunzehn Tote. Der deutsche Angriff war vor ihrer Stellung zum Stehen gekommen. Sie hatte allen Grund, darauf stolz zu sein, zumal sie vom Regiment hörte, daß es auf einer Breite von neun Kilometern die einzige Stelle gewesen sei, an der die Faschisten nicht sofort durchbrechen konnten. Aber das hohe Lob vermochte ihre Trauer über das Sterben in ihren Reihen nicht zu verdrängen. Bei Kerzenlicht saß sie in ihrem in einer Senke aufgespannten Zelt und schrieb die ›Ehrentafel‹ ihrer toten Heldinnen. Ugarow, der die Liste in der Hand hielt, las ihr die Namen vor, und jedesmal blickte die Bajda einen Moment versonnen vor sich hin, ließ die Tote vor ihrem geistigen Auge noch einmal auferstehen und nahm Abschied von ihr.
    »Bald werden die Deutschen auch hier sein«, sagte sie zu Ugarow. »Wir haben den Befehl, sie so lange hinzuhalten, bis unsere Panzerbrigade vollständig aufmarschiert ist. Noch viele von uns werden sterben, Victor Iwanowitsch …«
    »Sprich nicht darüber, Soitschka …«
    »Es kann auch mich treffen.«
    »Mich auch. Jeden von uns …«
    »Auf jeden Fall sollst du wissen, daß ich dich sehr geliebt habe. Und daß ich sehr oft daran gedacht habe, wie es nach dem Krieg weitergehen wird. Bleiben wir zusammen? Nun ja, du bist sechs Jahre jünger als ich, aber der Krieg hat uns alle abgeschliffen, die Jahre verwischen sich, und es bleibt nur die Gewißheit, daß wir für immer zusammengehören. Ich habe gerne daran gedacht, davon geträumt … mir ein ganz und gar anderes Leben mit dir vorgestellt. Weißt du, was wir im Frieden tun würden?«
    »Du würdest Kommandantin einer Frauenbrigade werden …«
    »Nein! Nach dem Krieg zöge ich die Uniform aus. Ich würde sie nicht fortwerfen, nein, nein. Sie käme wie ein Heiligtum in einen Glasschrank. Aber ich würde dorthin zurückkehren, woher ich gekommen bin.«
    »Nach Kyzyk?«
    »Ja, an mein Kaspisches Meer. An die heißen Ufer …« Sie legte den Kopf an Ugarows Schulter und schloß die Augen. »Mein Vater hatte dreitausend Schafe, mein Bruder besaß drei Fischerboote. Unser Haus war aus Stein und mit Ziegeln gedeckt. Und einen artesischen Brunnen hatten wir im Garten, der uns immer Wasser gab, auch in den heißesten Monaten. Die Nachbarn nannten uns reich.« Sie rieb ihren Kopf an Ugarows Schulter. »Mein Bruder ist bei Orel gefallen, mein Vater ist von einem Spähtrupp bei Taganrog nicht zurückgekehrt. Alles in Kyzyk gehört mir, wenn ich den Krieg überlebe. Victor Iwanowitsch, es ist genug da, um ein sorgenfreies Leben zu führen. Das Paradies wird um uns sein. Niemand wird in Kyzyk unseren Frieden stören.« Sie machte eine Pause. »Ja, es war wirklich schön, so zu träumen …«
    Sie sprach so ganz anders, die wilde Bajda, fast poetisch, und ihre Stimme war dunkel und weich und streichelte die Worte. Ugarow verspürte ein unangenehmes, drückendes Gefühl im Magen. Das alles klang nach Vorahnungen, nach Rückblick, nach Abschied und tiefer Angst. Soja Valentinowna, die bärenmutige Kommandantin, dachte an den Tod.
    »Natürlich werden wir uns in Kyzyk um die Herde kümmern und Boote flicken«, sagte Ugarow. »Ich lebe gern am Wasser.«
    »Wir werden zusammenbleiben, mein Liebling?« fragte sie, und ihre Stimme zitterte vor Glück.
    »Wer hätte jemals daran gezweifelt? Soitschka, wo gibt es sonst noch eine Frau wie dich? Bin ich nicht ein gesegneter Mensch mit dir? Mehr kann man vom Leben doch gar nicht verlangen …«
    Zwei Stunden später hörten sie die Deutschen kommen. Die Vorposten jagten auf Motorrädern davon, die sowjetischen Feldhaubitzen begannen zu feuern. In einem Halbkreis fuhren die T 34 auf und schossen auf alles, was sich jenseits des Flüßchens Rosumnaja bewegte.
    Der Brückenkopf von Melechowo übernahm seine tödliche Aufgabe: Verzögerung des deutschen Sturms, und sei es auch nur um wenige Stunden. Die deutschen Verluste stiegen mit jeder Stunde …
    Die 4. Kompanie erreichte Melechowo gegen 5 Uhr morgens und verbarg sich in den Trümmern der wenigen Häuser, bis die zwei Tiger und drei Panther zum Flußufer vorgedrungen waren und den Zweikampf mit den T 34 aufnahmen. Behäbig

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