Frauenbataillon
machen schien.
»Da kommt einer!« sagte Pflanzl und zeigte mit dem Daumen auf eine herankriechende Gestalt. Es war ein Deutscher, flach schob er sich durch das Steppengras, deutlich sah man seinen Stahlhelm. Noch war nicht zu sehen, ob der Mann verwundet war. Pflanzl winkte.
»Paß auf, Junge, da drüben ist'n MG!« schrie er ihm zu. »Bleib unten! Bist du verwundet?«
Der Deutsche antwortete nicht. Er hob nur den Kopf, schob sein Gewehr weiter nach vorn und sah zu Unteroffizier Pflanzl hinüber. Das sowjetische schwere MG schwieg sogar, als er den Kopf noch mehr hob und ein geradezu klassisches Ziel bot. Sibirzew, der ihn beobachtete, krümmte keinen Finger. Fasziniert wartete er auf das, was nun geschehen würde.
»Du Arschloch!« schrie Pflanzl in seinem sicheren Loch. »Rübe runter! Bist du verrückt?«
Er hob den Arm, wollte winken, kam dabei mit dem halben Gesicht über den Trichterrand … Der schießt ja! wollte er denken, aber dazu reichte es nicht mehr. Der Hammerschlag warf ihn zurück, in seiner Stirn war ein Loch entstanden, er fiel gegen Pflaume. Der verblüffte Blick blieb in seinen Augen.
Hauptfeldwebel Pflaume begann zu würgen und wollte schreien. Um sich herum sah er jetzt fünf Mädchen aus der Steppe wachsen, und auch der Mann mit dem deutschen Stahlhelm sprang auf, warf den Helm weg und schüttelte die Locken.
»Bravo, Lida Iljanowna!« sagte hinter seinem MG Sibirzew und klatschte in die Hände. »Das hätte Soitschka sehen müssen, welch eine Freude hätte sie gehabt!«
Hauptfeldwebel Pflaume wurde von Grauen geschüttelt. Er hob die Arme, streckte sie senkrecht in den Himmel und blieb so, erstarrt im Entsetzen, in seinem Trichter stehen. Mit drei Schritten war Lida bei ihm und legte ihr Gewehr an.
»Nein …«, stammelte Pflaume. »Ich ergebe mich. Ich Kriegsgefangener! Wojennoplenni. Wojennoplenni. Plenni … Nein! …«
Mit gnadenloser Ruhe zielte Lida auf Pflaumes Kopf. Er riß den Helm herunter, schleuderte ihn weg, reckte wieder die Arme und begann nun doch zu weinen. Er starrte in den Lauf, der genau zwischen seine Augen wies, die Tränen rannen ihm über die dicken Backen, sein Herz brannte vor Angst, seine Muskeln erschlafften, Kot füllte seine Hose, Urin floß ihm die Beine hinunter, und immer wieder stammelte er: »Ich … Wojennoplenni … Wojennoplenni …«
Dann krachte der Schuß. Mit dicken Tränen in den Augen, zwischen denen jetzt das Loch entstand, fiel Pflaume gegen die Trichterwand.
Um ihn herum säuberten die Mädchen der Abteilung Bajda die Steppe von den noch überlebenden Deutschen – gnadenlos, wie sie es gelernt hatten, wie sie es nicht anders kannten.
Es gab, als der Morgen dämmerte, keine 4. Kompanie mehr.
Aber man fand auch keine Stella Antonowna. Man fand nur ihren Jeep, durchlöchert von Schüssen. Und zehn Meter weiter entdeckte man, in einem Granatloch, ihr Trefferbuch. Blutbeschmiert. Die letzte Eintragung war vom vergangenen Tag. Die Treffer 344 bis 349.
Sogar Sibirzew schossen die Tränen in die geschlitzten Augen, als er das Schußbuch überreicht bekam. Er preßte es an seine Lippen. Lida Iljanowna schluchzte hysterisch und rief immer wieder: »Ich glaube es nicht! Sie muß leben! Ich glaube es nicht. Sie lebt!«
Sibirzew sagte mit schwankender Stimme. »Ja, sie wird leben. Für immer bei uns sein. Für alle Zeiten, solange es Russen gibt. Sie wird als Heldin unvergessen bleiben. Stella Antonowna Korolenkaja ist unsterblich geworden.«
Man suchte zwei Tage lang, während die sowjetischen Panzereinheiten weiter auf Charkow vordrangen und die deutschen Truppen vor sich hertrieben. Man hatte ein paar Tage Ruhe; die Abteilung Bajda hatte bei diesem Gegensturm sehr gelitten, fast ein Drittel war gefallen oder verwundet. Aber der Oberkommandierende, General Konjew, ehrte die Gruppe Bajda durch lobende Erwähnung im Tagesbefehl. Sogar der Chef der Operationsabteilung, Marschall Shukow, schickte einen Funkspruch und sprach von ›einmaliger Heldentat‹.
»Wir werden sie nie finden«, sagte Sibirzew am dritten Tag ihrer Suche. »Wie auch?! Die Faschisten haben noch ihren toten Leib mißhandelt und in den Müll geworfen, diese Hunde! Oh, ich sage euch: Für mich gibt es keinen lebenden Deutschen mehr!«
Am nächsten Tag wurde die Abteilung Bajda aus der Front herausgezogen und in das eroberte Bjelgorod zurückverlegt, um sich auszuruhen. Hier war jetzt schon so etwas wie Frieden. Die Bevölkerung hatte mit dem Wiederaufbau begonnen, die
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