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Frauenbataillon

Frauenbataillon

Titel: Frauenbataillon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Straßen wurden geräumt, Trümmer gesprengt, Ruinen gereinigt. Aus den Kellern krochen Tausende und begannen ein neues Leben.
    Auf Charkow rollten, von drei Seiten kommend, neun sowjetische Armeen.
    Die Steppe am Donez wurde mit Blut gedüngt.
    Der plötzliche Vorstoß der deutschen Einheiten erschien Stella Antonowna wie die Erhörung eines Gebetes. Sie wäre bereit gewesen, es noch nachträglich zu sprechen, obwohl sie doch überzeugt war, daß der Gott, den noch ihre Eltern heimlich angebetet hatten, vom Marxismus-Leninismus längst als Popanz entlarvt worden war.
    Pjotrs Kopf in ihrem Schoß, saß sie zwischen dem zerfetzten Kübelwagen und den toten Deutschen, streichelte sein Gesicht – und war sich ihrer Lage völlig bewußt. Ihn mitzunehmen zu ihrer Truppe – das war unmöglich. Es gab keinen Grund, ausgerechnet diesen Gefangenen leben zu lassen. Sich zu den Deutschen durchzuschlagen, war ebenfalls ausgeschlossen. Sie wußte genau, daß man sie an die SS ausliefern mußte. Das bedeutete Mißhandlungen, Folter und Tod durch Erhängen. Der Nachrichtendienst der Partisanenverbände war vorzüglich; man wußte genau, wie SS und SD mit gefangenen Scharfschützinnen umgingen. Wurden sie erschossen, war das noch human. Es gab genug Fotos von aufgehängten Mädchen.
    Hesslich wachte aus seiner Ohnmacht auf, als die ersten deutschen Granaten über sie hinwegorgelten. Er fand sich nicht gleich zurecht, schlug mit den Armen um sich, wollte aufspringen, aber da war wieder der wahnsinnige Schmerz im Oberschenkel, der ihn in die Wirklichkeit zurückholte.
    Stella Antonowna hielt ihn umfangen. »Liegg rruhigg … ruhigg liggän … Pjotr … Nix bäwägenn!«
    »Mein Gott! Stella!« Sein Kopf sank gegen ihre Brust. Er schwieg, solange die Granaten über sie hinwegzogen und in die sowjetischen Panzerstellungen einschlugen. In einer Feuerpause sagte er: »Stella, du mußt weg! Du kannst nicht hier bleiben!«
    »Du mußt wägg – nix isch! Kannst lauffän?«
    »Nein … Ich krepiere hier.«
    »Du nix, wenn ich bin da!« Sie legte seinen Kopf vorsichtig ins Gras, stand auf, ging zu ihrem Jeep und kam mit ihrem Gewehr zurück.
    »Das ist gut«, sagte Hesslich und schloß die Augen. »Mach ein Ende. Der Fangschuß. Er ist immer eine Gnade, ich kenne das, ich war ja Förster. Eine Erlösung ist das. Ich – ich danke dir, Stella.«
    »Ich dich halten. Du mit Gewehr gähänn. Wie mit Stock.«
    »Es hat keinen Sinn, Stella. Wohin denn gehen?«
    »In Friedän. Du und ich. Nur Friedän noch. Nix mehr Woina. Woina an uns vorbei.«
    »Du liebe Güte!« Er starrte sie entgeistert an. »Du willst desertieren? Mit mir desertieren? Dich verstecken mit mir?«
    »Ja!«
    »Die Korolenkaja?! Du desertierst? Die Heldin!?«
    »Ich dich liebbän. Sonst nix auf Wält. Nur dich.«
    Sie gab ihm ihr Gewehr, ging dann hinüber zu den Kübeltrümmern, nahm den toten Soldaten zwei Gewehre ab, ging zu ihrem Jeep und begann ihn mit Schüssen zu durchsieben. Da in die sowjetischen Pak-Stellungen und Panzerbereitschaften jetzt die Einschläge der deutschen Geschütze hagelten, gingen ihre Schüsse in den ständigen Explosionen unter. Als sie zurückkam, hatte sich Hesslich an ihrem Gewehr hochgezogen und stand nun auf einem Bein. Er zitterte vor Schmerz am ganzen Körper, biß die Zähne knirschend zusammen und stützte sich, vornübergebeugt, auf Stellas lange Waffe. Sein verwundetes linkes Bein hing an ihm, als sei es völlig nutzlos, ein sinnloses Anhängsel.
    »Komm!« sagte sie und schluckte mehrmals. »Komm!«
    Sie legte seinen Arm um ihre Schulter, er stützte sich auf das Gewehr, und so hüpfte er auf dem gesunden Bein zum Jeep, und jedesmal, wenn das andere den Boden berührte, stöhnte er auf, bis der Schmerz so unerträglich wurde, daß er nicht mehr hüpfen konnte und den Kopf an Stellas Schulter preßte. Sie hörte, wie seine Zähne aufeinanderschlugen.
    »Noch fünff Mättär«, sagte sie leise. »Pjotr, ich dich traggän.«
    Er schüttelte den Kopf, stöhnte, versuchte, auch diese letzten fünf Meter noch zu hüpfen. Wie lang können fünf Meter sein, wie endlos, wenn man jeden Zentimeter mit einer Explosion von Schmerz bezahlen muß.
    Dann war es geschafft. Er sank auf den Sitz, faßte mit beiden Händen das nutzlose Bein und hob es in den Jeep. Er fiel mit der Stirn gegen die Einfassung der niedrigen Frontscheibe.
    »Wohin denn?« sagte er tonlos. »Stella, mein Gott, wohin denn?!«
    »Deine Kamäraden greifen wiedär an.«
    »Du darfst

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