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Frauenbataillon

Frauenbataillon

Titel: Frauenbataillon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Zeit dauern konnte. Während um ihn herum die Verwundeten zu den Wagen getragen wurden und neben dem Oberleutnant noch sieben weitere Tragen abgestellt wurden, hockte er sich neben Salnikow und wartete. Er starb mit einem langen Seufzer und aufgerissenen, geradezu erstaunten Augen, die vielleicht in dieser Minute des Vergehens noch einmal klar ihre Umwelt erkannten.
    Hesslich strich ihm die Lider zu und zog die Decke über das Gesicht des Toten. Dann half er weiter, die Waggons mit den stöhnenden Leibern zu entladen. Eine andere Kolonne holte die Toten ab und brachte sie zu einem Lastwagen. Wenn Salnikow keine anderen Kennzeichen hatte, würde man ihn als Unbekannten begraben. Einer von Hunderttausenden, die später als vermißt gelten würden.
    Mit bebender Ungeduld wartete Hesslich, bis Stella Antonowna ihren Dienst beendet hatte. Wie immer holte er sie ab, nickte ihren Kolleginnen freundlich zu und ging mit ihr den kurzen Weg bis zur Wohnung, wobei er sich in vertrauter Gewöhnung auf sie stützte, als habe er noch immer Schwierigkeiten mit seinem Bein.
    In der Wohnung, nachdem er an der Tür gelauscht und ein paarmal aus dem Fenster geblickt hatte, trat er hinter Stella, die am Herd eine Kohlsuppe kochte, und umfaßte sie.
    »Laß sejn, Pjotr …«, sagte sie und rührte weiter in der Suppe. »Nix jätzt. Dänkän immär nur das?«
    »Ich habe ein Recht darauf.« Er lachte leise und küßte ihren Nacken und den seidenweichen Flaum auf ihrer Haut. »Du hast einen neuen Geliebten!«
    »Dummkopf.«
    »Peter Hesslich ist weg. Es hat ihn nie gegeben, du kennst ihn nicht. Aber da ist der schöne, starke, liebe Pjotr Herrmannowitsch Salnikow, in dessen Armen du schläfst und glücklich bist.«
    »Du hast getrunkänn!« sagte Stella strafend. »Wieso trinkänn mit Värband?«
    »Ich bin Salnikow, Stella.« Er holte den Ausweis des Oberleutnants aus der Tasche und hielt ihn ihr unter die Augen. Stella Antonowna stieß einen kleinen Schrei aus, riß ihm den Ausweis aus der Hand und hielt ihn mit zitternden Händen hoch gegen das Licht der drei Kerzen, die auf dem Küchenbord brannten. Dann wirbelte sie herum, hätte fast den Suppentopf vom Herd gestoßen, und starrte Hesslich entgeistert an.
    »Wohärr?« stotterte sie fassungslos. »Pjotr! War dir gegäbänn Papierr?« Sie hob es wieder gegen das Kerzenlicht. »Papier ist ächt!«
    »Natürlich ist es echt, Stellinka!«
    »Fotto bist du!«
    »Es sieht so aus.«
    »Geborrän am 17. März 1920 in Minsk …«
    Stella Antonowna schwenkte den Ausweis wild durch die Luft. »Wohärr?« Angst lag in ihren Augen. Wie kam Pjotr an einen richtigen Ausweis mit seinem Bild? Das Foto vor allem verwirrte sie. Man sah unter dem Hals noch den Ansatz eines Uniformkragens. »Wo gemacht Bild?«
    »Wahrscheinlich in Minsk. Pjotr Herrmannowitsch Salnikow wurde vor vier Stunden von einem armen, mißhandelten Bauern auf dem Güterbahnhof Charkow aus dem Lazarettzug geholt, auf dem Bahnsteig abgestellt, um dort zu sterben, und liegt jetzt als unbekannter Gefallener irgendwo in einer Sammelstelle, um ehrenvoll begraben zu werden.«
    »Das – das unmögglich …«, stotterte Stella fassungslos.
    »Genau das habe ich auch gesagt, als ich Salnikow auslud und sein Gesicht sah. Mein Bruder! Ähnlicher geht es nicht! Ich wußte: Hier legt mir das Schicksal mein neues Leben in die Hand. Da habe ich seinen Ausweis genommen.« Er zog das Papier aus Stellas Fingern und steckte es wieder ein. »Du siehst vor dir Pjotr Herrmannowitsch Salnikow! Endlich habe ich einen Namen. Und seine Frau heißt Stella Antonowna Salnikowa. Niemand wird das mehr bezweifeln! Keiner mehr fragen oder scheel gucken können. Wir sind amtlich, Stellinka! Wir haben einen Stempel für unser neues Leben, das Allerwichtigste überhaupt: Einen amtlichen Stempel!«
    »Abärr ich?«
    »Mit diesem Papier gehen wir zur Verwaltung, schwören, daß die Faschisten alles vernichtet haben, und man wird dir ein neues Papier ausstellen.« Er klopfte gegen seine Brusttasche. »Hier, mein Ausweis ist Beweis genug!«
    »Wirr wärdän nicht heirattän?« fragte sie stockend.
    »Wir sind seit drei Jahren verheiratet, Stella …«
    »Richtigg, Pjotr.«
    »Auch da finden wir einen Weg!« Er zog sie an sich, küßte sie, hob sie hoch und trug sie zum Bett. Sie lachte und weinte in einem, bedeckte ihn mit Küssen, obwohl es nur der Verband war, den ihre Lippen trafen, und sagte immer wieder »Salnikow! Salnikow! Salnikow!«
    Die Kohlsuppe mit ein paar

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