Frauenbataillon
deutschen Nachschub zu sabotieren. All das behagte Ugarow wenig. Er hatte nicht den Ehrgeiz, ein großer Held zu werden. Ihm genügte es, an der Front zu liegen. Er betrachtete sich als Glückspilz, weil ausgerechnet die Italiener seine unmittelbaren Gegner waren und keine rein deutsche Division oder gar eine SS-Brigade. Und außerdem war die tägliche Abwechslung in Sojas weichen Armen eine Vergünstigung, die er an keiner anderen Front erwarten konnte. Das alles stand auf dem Spiel, wenn Miranski aufwachte und die beiden Gefangenen sah. Vor Wut würde sich Schaum vor seinem Mund bilden; man hatte das schon oft erlebt. Foma Igorewitsch konnte sich so aufregen, daß jeder meinte: Nun fällt er gleich um! Der Schlag wird ihn treffen. Aber Miranski war ein zäher Bursche, auch wenn er nicht so aussah.
»Morgen früh sind sie weg«, sagte die Bajda fast tröstend.
»Aber es kommt doch kein Schlitten mehr!«
»Wozu brauchen wir einen Schlitten? Komm endlich, die Kälte kriecht mir in die Knochen!«
Ugarow zögerte, lauschte und hörte noch immer die Bajantöne. Einen Augenblick lang hatte er die Idee, einen Blick in den Unterstand zu werfen, um sich vom Zustand der beiden Gefangenen zu überzeugen. Aber Soja Valentinowna drängte ihn zu sehr, küßte ihn auf die Augen und griff ihm an die Hose, und diesem Argument hatte er nichts mehr entgegenzusetzen. Er wandte sich ab und folgte ihr in den Befehlsbunker mit der dicken, schalldichten Holztür. Die Hitze, die der kleine, runde Eisenofen ausstrahlte, war wie eine Wand, die man durchbrechen mußte. Soja zog Pelzmütze und Mantel aus, rieb sich das vereiste Gesicht mit einem Handtuch ab und entledigte sich nun auch der restlichen Kleidung. Als sie völlig nackt war und ihr herrliches, weißes, wohlgerundetes Körperchen ihn lockte, stieg Ugarow das Blut in den Kopf – und nicht nur dahin, und er vergaß vorübergehend die beiden Italiener.
Es war das beste, was Ugarow passieren konnte, denn wenn er seinen Auftrag gewissenhaft hätte ausführen wollen, dann hätte er mit einer Peitsche dreinschlagen oder gar seine Pistole ziehen müssen. Was im Bunker des II. Zuges geschah, war nicht mehr duldbar, selbst bei weitherzigster Auslegung des Ermessensspielraums, den er als Kontrolloffizier der Frauensondereinheit besaß.
Luigi Tarnozzi und Salvatore Uganti waren Freunde von Kindesbeinen an. Sie waren im gleichen Dorf – Sorvanola in Kalabrien – geboren, wuchsen zusammen in elender Armut auf und lernten nach den ersten selbständigen Schritten, daß das Leben nur ein erbitterter Kampf ums Sattwerden war, und daß die Existenzberechtigung in einem immerwährenden Feldzug gegen die Besitzenden und Reichen, gegen Beamte und Polizei stets von neuem ertrotzt werden mußte. Als sie neun Jahre alt waren, wurden sie zum ersten Mal eingesperrt, weil sie englischen Touristen, die am Dorfrand von Sorvanola zelteten, das ganze Gepäck gestohlen hatten. Mit zwölf Jahren verachteten beide die Schule und zogen in die Berge. Später arbeiteten sie in einem Steinbruch, glaubten dann, in der Stadt Reggio liege der Schlüssel zum Glück, gründeten dort eine Diebesbande, verschwanden noch zweimal hinter Gittern, traten dann – wie immer gemeinsam – der faschistischen Partei bei und trugen stolz ihre schwarzen Hemden. Als der Krieg sie rief, hatten sie das große Glück, in die gleiche Kompanie zu kommen, und nun wollte es das Schicksal, daß sie auch gemeinsam aus ihrem Postenloch gestohlen wurden.
Sie wachten auf, weil das kalte Wasser, das man ihnen über die Köpfe schüttete, ihren Körpern einen Schock versetzte. Sie schnellten hoch, starrten verwirrt um sich und begriffen erst, als sie die sowjetischen Uniformen erkannten, wo sie sich befanden. Instinktiv rissen sie die Arme hoch, um sich zu ergeben.
Helles Lachen brach über sie herein. Ein paar Hände griffen zu, rissen ihnen die Uniformröcke weit auf, griffen in ihre Haare. Man zog ihre Köpfe nach hinten und ließ den Schein der Petroleumlampe voll auf ihre Gesichter fallen. Tarnozzi und Uganti blinzelten in das Licht. Mädchen! Verdammt ja, das sind ja Mädchen. Tauchten plötzlich vor dem Postenloch auf, öffneten die Bluse … mamma mia, auf alles war man in der vordersten Linie gefaßt, aber nicht darauf, von nackten Brüsten erstürmt zu werden. Wo war man jetzt? Von den Weibern gefangen? In einem russischen Unterstand? Madonna, was wird aus uns?
Mit angsterfüllten Augen starrten sie die Mädchen an, die einen Kreis
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