Frauenbataillon
eine der wenigen, die ein Schußbuch besaß, als sie nach Moskau kam. Mit 24 beglaubigten Abschüssen. Die Tapferkeitsmedaille hatte sie auch schon. Aber das waren alles nur Gerüchte. Gesehen oder gesprochen hatte sie noch keiner, beim letzten Lehrgang in Veschnjaki war sie nicht dabei, und viele Mädchen nahmen die Geschichten nicht ernst und meinten, man habe diese Frau nur erfunden, um die Truppe anzuspornen. Auch als der Name bekannt wurde, blieb man skeptisch. Was ist schon ein Name?
Wie hieß die Genossin aus der Ukraine? Stella Antonowna Korolenkaja?
Wenn es sie wirklich gibt, wird man ja bald etwas von ihr hören müssen.
Der Name geriet schnell in Vergessenheit – der Alltag an der Front fesselte die Aufmerksamkeit der Mädchen. Kapitän Soja Valentinowna war auf eine Idee gekommen, über die man herzlich lachte, obgleich es sich um ein gefährliches Spiel mit dem Tode handelte. Aber während der öden Warterei auf die kommende große Offensive war es eine nervenkitzelnde Abwechslung.
»Hört einmal zu!« hatte eines Tages die sonst so strenge Bajda gesagt. »Das Herumsitzen bekommt euch nicht. Ihr starrt Löcher in den Himmel, denkt an … na, ich will's nicht laut nennen – und höchstens mal zufällig seht ihr einen Feind und könnt beweisen, was ihr gelernt habt. Soll das so weitergehen? Nein, meine ich, wir sollten etwas unternehmen. Angreifen dürfen wir nicht, da haben wir ganz strenge Befehle, aber wir könnten für einige Unruhe sorgen.« Sie hatte sich im Kreise ihrer Mädchen umgeblickt und ein paarmal mit den Augen gezwinkert. Richtig fröhlich war sie geworden, die sonst so harte Soja Valentinowna. Ihre Idee schien sie zu begeistern. »Uns gegenüber, im Niemandsland, liegen, wie ihr wißt, neun feindliche Beobachter. Meistens sind es zwei Soldaten in einem Loch. Ich könnte mir denken, daß es ganz nett sein könnte, sie näher anzusehen …«
Die Mädchen lächelten verhalten. Was will die Bajda damit sagen? »Erklär es genauer, Genossin. Was heißt das: ›Näher ansehen‹? Sollen wir uns an die Posten heranschleichen und sie liquidieren?«
»Morgen kommt ein Lautsprechertrupp«, sagte Soja Valentinowna. »Genossen von der Propagandaabteilung. Und als ich daran dachte, kam mir plötzlich die Idee. Hört einmal zu …«
In einem anderen Bunker hockten Leutnant Ugarow und Kommissar Foma Igorewitsch Miranski an einem aus Brettern gezimmerten Tisch und spielten Schach. Seit fast einer Stunde starrten sie auf die Figuren und kamen nicht weiter. Es war zum Verzweifeln.
»Mir gefällt das gar nicht«, sagte Ugarow plötzlich.
»Ganz meine Meinung. Brechen wir das Spiel ab«, pflichtete Miranski bei.
»Ich rede nicht von dem blöden Spiel.« Ugarow lehnte sich zurück an die Erdwand. »Ich denke an Sojas verrückten Plan.«
»Sie hat einen Plan?« fragte Miranski betroffen. »Was für einen Plan? Für Planungen bin ich zuständig!«
»Sie will Männer klauen …«, sagte Ugarow dumpf. Miranski vergaß, daß sein Knie unter dem Tisch war, zuckte hoch und warf das Schachspiel um.
»Höre ich richtig?« rief er erschrocken. »Victor Iwanowitsch, haben Sie vielleicht zuviel getrunken?!«
»Sie will Männer stehlen. So ganz einfach klauen …«
»Wo?« stotterte Miranski entgeistert. »Ist sie verrückt geworden?«
»Da draußen. Im Niemandsland.«
»Haben Sie Fieber, mein lieber Ugarow?« Miranski sah den Leutnant mitfühlend an. »Legen Sie sich hin, strecken Sie sich aus und trinken Sie eine Kanne Tee. Und schwitzen Sie kräftig. Nichts gegen die alten Hausmittel! Mein Großmütterchen wurde als Kind von der Diphtherie geheilt, indem man sie zwang, ihren eigenen Urin zu trinken.«
Ugarow sah Miranski mit zerquälter Miene an und schüttelte langsam den Kopf. »Begreifen Sie es doch, Foma Igorewitsch: Soja will die vorgeschobenen Posten des Gegners stehlen …«
»So einfach mitnehmen?« sagte Miranski, als spräche er mit einem gefährlichen Irren, der nur noch durch Sanftmut vom Amoklauf abgehalten werden kann. »Die Männlein in die Tasche stecken, was? Man nehme ein Säckchen mit und stopfe sie hinein. Ist doch ganz einfach, nicht wahr? Was erstaunt Sie dabei so, Victor Iwanowitsch?«
»Ich verstehe Ihren Spott, Foma Igorewitsch. Aber Soja meint es ernst. Sie will die Postenlöcher ausräumen. Lautlos und unblutig! Die Männer sollen bei der Ablösung einfach verschwunden sein.«
»Das ist doch blanke Idiotie!« rief Miranski aufgebracht, schlug mit den Fäusten auf seine
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