Frauenbataillon
Ring um Stalingrad schloß und die 6. Armee der Deutschen abgeschnitten wurde. Damals zog die Ärztin Marfa Wadimowna mit uns herum, ein wahres Luderchen, bei Gott, mit strengem Gesicht, einem wahren Kuheuter von Busen und einem Hintern, auf dem man hätte Holz hacken können. Und sie fürchtete sich vor nichts, operierte auf freiem Feld, unter Panzerbeschuß, mitten auf der Steppe, neben sich an einer Holzstange eine eroberte deutsche Rot-Kreuz-Fahne. Jeder, der diese Fahne auch nur von weitem sah, verzichtete darauf, diesen Fleck Erde unter Beschuß zu nehmen. Und da hockte dann dieses Teufelsweib und schnitt Kugeln raus und verband, nähte Fleischfetzen zusammen und schleppte mit drei Feldscherinnen die Verwundeten in Sicherheit. Am 27. September 1942 starb sie an der Bahnlinie Olchowka – Kamuschin, im Norden Stalingrads, als sie, die Rot-Kreuz-Fahne über ihrem Kopf schwenkend, in der Steppe Verwundete suchte. Die Bombe eines deutschen Stuka, der die Bahnlinie angriff, traf sie voll. Von ihr und fünf Sanitäterinnen blieb nichts übrig.
Kurz darauf wurde die Abteilung zurückgezogen und in einem weiten Bogen über die Wolga hinweg zum mittleren Don an die Südwestfront des Generals Watutin verlegt. Dort half sie mit bei der Zerschlagung der deutschen Versuche, Stalingrad zu retten. Eine eigene Ärztin hatten sie nicht mehr. Erst jetzt kommt eine neue Ärztin an die Front, und das konnte nur bedeuten, daß die erwartete Offensive kurz bevorstand.
Miranski fuhr in seine Fellstiefel, schlüpfte in den dicken Pelzmantel und begab sich in den Bunker II. Die Mädchen hockten auf ihren Pritschen, aßen das gerade ausgegebene Essen und nagten an hartem Brot. Es roch widerlich sauer nach Kohl. Miranski rümpfte die Nase. Denen fällt in der Küche auch gar nichts mehr ein, dachte er verbittert. Besteht Rußland denn nur noch aus Sauerkohl? Gut, den Magen wärmt es, man hat das Gefühl, satt zu sein, die Därme blähen sich wie nach einer Völlerei, und es gehen wahrhaftig krachende Fürze ab, die an die gute Zeit erinnern, in der man schöne, blaßrote, dicke, saftige rohe Zwiebeln und würzige Gurken aß – aber, bei allen Satanen, es muß doch noch etwas anderes geben als nur Kohl, auch nach zwei Jahren Krieg. Wer frißt denn die Millionen Rinder, die Schafe, die ungezählten Schweine, die Hühner, Enten und Gänse? Und dann die Pferde? Genossen, Rußland erstickt in Fleisch, wenn man sich das so nüchtern überlegt, aber wo – der Teufel hole die Verwaltung –, wo bleibt es nur? Hierher an die Front, in die erste Linie, kommt es jedenfalls nicht, oder, um ehrlich und gerecht zu sein, nur höchst selten. Ein paar Bröckchen, die einsam in der Suppe herumschwimmen und sich schämen, weil sie so armselig sind. Wer also frißt das ganze Fleisch? Wer vertilgt da ganze Berge an saftigen Braten?
Miranski seufzte und zuckte erschrocken zusammen, als sich ein Mädchen vor ihm aufbaute und mit heller Stimme militärisch knapp meldete: »Genossin Stella Antonowna Korolenkaja zur Stelle!«
»Das freut mich!« antwortete Miranski etwas verwirrt und ganz und gar nicht wie ein Vorgesetzter. Er gab Stella die Hand und fand sie sehr nett, aber längst nicht so überragend, wie man sie ihm avisiert hatte. Dann setzte er sich zu den Mädchen auf eine Pritsche. In der Tiefe seines Herzens war er beleidigt, daß keine vorgesetzte Stelle ihm die Zuteilung einer neuen Ärztin mitgeteilt hatte. Sie war einfach da, raunzte Leutnant Ugarow an, versetzte die Bajda in einen Eifersuchtstaumel und maßte sich an, Ugarow zum Abtransport einer Verwundeten nach hinten zu schicken.
Einen solchen Zustand konnte Miranski nicht einfach so hinnehmen.
»Wie war das mit Leutnant Ugarow?« fragte er. »Ich will es genau hören.«
»Wir hatten eine Verwundete«, sagte Stella Antonowna. »Gerade, als sie von der Genossin Opalinskaja verbunden wurde, fiel der Leutnant in unseren Granattrichter. Er suchte uns.«
»Weiter«, drängte Miranski. »Das ist mir alles längst bekannt.«
»Weiter nichts. Galina Ruslanowna und Leutnant Ugarow brachten die Verwundete nach hinten. Wir gingen nach vorn.«
»Warum ist nicht eine von euch zurückgegangen?«
»Hätte der Leutnant den Kessel und die Kochgeschirre tragen sollen?« fragte Stella und blickte Miranski tadelnd an.
Das ist eine gute Erklärung, dachte Miranski, ja, das ist ein unwiderlegbares, logisches Argument. Damit kann man sogar Soja Valentinowna trösten. Er sah Stella dankbar an, klopfte ihr
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